Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Hamburg vom September 2023

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Endpunkte

12,07

Endnote

12,7

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Erfüllungsansprüche aus Mietvertrag, Besitzschutz

Paragraphen: §630a BGB, §630e BGB, §630h BGB§280 BGB, §253 BGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, Hart am Fall, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Fall stammte – jedem Geprüften sackt das Herz in die Hose – aus dem Arztvertragsrecht. Er war sehr detailreich und wurde schnell vorgetragen, sodass ich mich nur noch an die Rahmendaten erinnere. Ein 17-Jähriger aus Köln begibt sich in Düsseldorf in Behandlung. Die gewählte Therapie ist umstritten und noch nicht etabliert, führt laut einem Sachverständigen aber in der Regel zu positiven Ergebnissen. In einem folgenden Aufklärungsgespräche war auch die allein sorgeberechtigte Mutter zugegen. Der Arzt klärte über mögliche Komplikationsrisiken auf, allerdings nicht über den Umstand, die die Therapie in der Fachwelt umstritten ist. Nach der ersten Einheit zeigen sich Komplikationen, über die der Patient den Arzt unterrichtet. Dennoch setzt der Arzt die Therapie fort. Der Patient erleidet erhebliche Beschwerden. Hätte man ihn über die umstrittene Natur der Therapie aufgeklärt, hätte er sich in dem Fall. ein Zweitgutachten eingeholt. Er klagt – inzwischen volljährig – vor dem LG Köln auf min. 10.000 € Schmerzensgeld. Zunächst fragte der Prüfer nach möglichen Anspruchsgrundlagen. Neben dem Deliktsrecht standen die §§ 280 i.V.m 630a ff BGB im Fokus. Darunter fielen sowohl die Verletzung der Aufklärungspflicht als auch die Pflicht zur Behandlung lege artis sowie die Pflicht, Behandlungsfehler zu unterlassen. Zuerst wurde nach einem Vertragsverhältnis gefragt, wobei das Minderjährigen Recht darzustellen und zu subsumieren war. Der Prüfer wollte die verschiedenen Anknüpfungen (ex ante Ermächtigung, Genehmigung durch Mutter beim Aufklärungsgespräch, konkludente Eigengenehmigung des nun Volljährigen durch Klage) aufgezeigt haben. Danach ging es zunächst um den notwendigen Aufklärungsstandard in § 630e BGB. Das wurde m.E. etwas oberflächlich behandelt, zumal es BGH-Jurisprudenz zu der Frage gibt, ob über die umstrittene Natur einer Behandlung aufgeklärt werden muss. Der Prüfer gab sich aber mit der allgemeinen Bearbeitung des Wortlauts zufrieden. Sodann wurde es dogmatisch etwas kompliziert, da sich die Prüfung eines Behandlungsfehlers in den §§ 630a ff etwas von der gewöhnlichen Struktur des § 280 I unterscheidet. Nach dem Aufbau sind Verletzungserfolg und Kausalität nach der Pflichtverletzung zu prüfen – ich hätte das eher im Schaden angesiedelt und dort zunächst eine kausale Rechtsgutsverletzung isoliert, um dann die haftungsausfüllende Kausalität zu prüfen. Nachdem wir aber also die besonderen Elemente identifiziert hatten, arbeiteten wir die Systematik des § 630h ab. Dieser ist – wenn man ihn noch nie geprüft hat – leider ziemlich kompliziert und unübersichtlich aufgebaut. Ich hatte das Glück, ihn schon einmal geprüft zu haben und somit das Zusammenspiel aus Abs. 1 und Abs. 5 zu kennen, auf das es hier ankam. Letztlich wollte der Prüfer auf die Beweislastumkehr bzgl. der Kausalität zwischen Behandlungsfehler und Verletzung hinaus und an die verschiedenen Handlungen (ursprüngliche Behandlung kein grober Fehler, Fortsetzung grober Fehler) anknüpfen. Im Schaden ging es um die Grundsätze der Bemessung des Schmerzensgelds. Auch hier gab sich der Prüfer mit eher allgemeinen Erwägungen zufrieden, die Stichworte „Genugtuung“ und „Wiedergutmachung“ fielen nicht. Nach meiner Erinnerung gab es jüngere BGH-Jurisprudenz zur Frage, ob gegen Ärzte das Schmerzensgeld auch Satisfaktion umfasst – leider konnte ich dazu nichts mehr sagen. Abschließend wollte der Prüfer etwas zur Zulässigkeit der Klage vor dem LG Köln hören. Probleme bereitete hier der örtliche Gerichtsstand (Sitz des Arztes war Düsseldorf, Klage in Köln eingereicht). Man konnte an den Erfüllungsort oder den Deliktsort anknüpfen. Außerdem war die Bestimmtheit des Antrags („min. 10.000 €“) ein Problem. Abschließende Bemerkungen: Der Prüfer trägt den sehr detailreichen und komplizierten Sachverhalt sehr schnell vor, sodass man auf Zack sein muss. Die Rechtsmaterie des Behandlungsvertrags ist sicher ein absolutes Nischengebiet, auf das man sich nicht sinnvoll vorbereiten kann – zumal sich die Systematik des § 630h in der Drucksituation der mündlichen Prüfung auch nicht sofort erschließt. Allerdings war die Prüfungsführung unterstützend und wohlwollend, was diesen Aspekt ausgeglichen hat. Die Bewertung erfolgte m.E. eher streng, wenngleich in Anbetracht unserer kollektiv geringen Wissenstiefe zum Thema nicht unvertretbar.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hamburg im September 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.