Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – NRW im Oktober 2017

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im Oktober 2017. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Zur Sache:

Prüfungsthemen:  Ordnungsbehördliche Verordnung, Satzungen, Juristische Personen des öffentlichen Rechts, Sicherstellung, Herausgabe sichergestellter Sachen, Folgenbeseitigungsanspruch, Gefahrenbegriffe, abstrakte Gefahr, Rechtswidrigkeit der Maßnahme Rechtswidrigkeit der Verordnung

Paragraphen: §80 GG, §27 PolG, §43 PolG, §46 PolG, §70 GG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen, lässt sich ablenken

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer ist insofern „protokollfest“, als man sich nicht speziell auf bestimmte Prüfungsfragen vorbereiten kann, sondern er – wie auch aus vorherigen Protokollen ersichtlich anhand eines Falles den Einstieg in eine Materie bringt und schließlich über Nebenfragen, Verständnisfragen und Nachhaken allgemeine Themen einmal mit und einmal ohne Bezug zum Fall erörtert sehen möchte.
Zu Beginn der Prüfung schilderte er uns einen ganz kurzen Fall: A geht nachts durch Hamm, trägt bei sich ein Schild mit der Aufschrift „Adventure Bar wieder eröffnet“. Ein Ordnungsmitarbeiter taucht auf, sieht den A und sagt zu ihm: „Sie dürfen das Schild hier nicht tragen“. Gemäß einer ordnungsbehördlichen Verordnung sei das nächtliche Mitführen eines gefährlichen Werkzeuges in der Innenstadt verboten. A schenkt dem keinen Glauben und weigert sich, das Schild herauszugeben. Der Ordnungsamtsmitarbeiter nimmt ihm daraufhin das Schild weg.
Zunächst wurde ein Kandidat gebeten, den Sachverhalt wiederzugeben. Nach der zutreffenden Wiederholung wurde ein anderer Kandidat gefragt, was denn überhaupt eine ordnungsbehördliche Verordnung sei. Dieser ordnete sie zunächst als Satzung ein. Nachdem der Prüfer misstrauisch reagierte, fragte er, was denn überhaupt eine Satzung sei. Nachdem der Kandidat allgemeine Ausführungen ausführte, die den abstrakt-generellen Adressatenkreis einer Rechtsnorm thematisierten, fragte der Prüfer, wer denn überhaupt Satzungen erlasse. Als der Prüfling „juristische Personen des öffentlichen Rechts“ antwortete, war der Prüfer sichtlich erfreut und fragte anschließend, was denn eine juristische Person des öffentlichen Rechts sei. Auch diese Frage wurde im Verlauf richtig beantwortet: Rechtssubjekte, deren Rechtsfähigkeit auf öffentlich-rechtlichem Hoheitsakt oder Anerkennung beruhen. Sodann wollte der Prüfer wissen, was Satzungen denn regelten. Es wurde geantwortet, dass Satzungen autonomes Recht seien und in Selbstverwaltungsangelegen-heiten erlassen werden. Auf Nachfrage wurden Beispiele wie das Satzungsrecht der Gemeinde genannt. der Prüfer fragte nach der normativen Grundlage, woraufhin Artikel 28 II GG genannt wurde. Es wurde nun gefragt, wo denn nun der Unterschied zwischen einer Satzung und einer Verordnung liege. Die Verordnung ist delegierte Rechtsetzung, die von der Exekutive erlassen wird. Die Satzung wird dagegen von demokratisch gewählten Organen z.B. der Selbstverwaltungskörperschaft erlassen. Satzungen bedürfen keiner besonderen Ermächtigungsgrundlage (abgesehen von der Verleihung der Satzungskompetenz an sich).
Daraufhin erkundigte sich der Prüfer, ob es denn im Grundgesetz einen Artikel gäbe, der die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für Verordnungen anzeige. Daraufhin wurde Artikel 80 GG genannt. Im weiteren Verlauf wurde gefragt, ob Artikel 80 denn auch für die ordnungsbehördliche Verordnung gelte. Nach einer längeren Diskussion wurde „erarbeitet“, dass Artikel 80 sich nur auf Delegierung von Bundesgesetz-gebung beziehe und somit nicht anwendbar sei, insofern es sich bei der ordnungsbehördlichen Verordnung um Landesrecht handele. Auf den entsprechenden Artikel der Landesverfassung NRW wurde hingewiesen.
Der Prüfer fragte nun wieder fallbezogen, ob das Verhalten des Ordnungsamtsmitarbeiters rechtmäßig gewesen sei. Dazu wurden zunächst in Frage kommende Rechtsgrundlagen erörtert, u.a. die der Sicherstellung. Im weiteren Verlauf wurde erörtert, welche Voraussetzungen dafür vorliegen müssen und der entsprechende Gefahrenbegriff definiert und anschließend erklärt, dass der Verstoß gegen die ordnungsbehördliche Verordnung insofern eine Gefahr darstellen könnte, da die ordnungsbehördliche Verordnung Teil der Rechtsordnung ist und somit die öffentliche Sicherheit betroffen sein könne. Zunächst wurde erörtert, ob es sich entsprechend der Verordnung bei dem Schild um ein gefährliches Werkzeug handele. Später wurde die Frage aufgeworfen, inwiefern denn trotz Vorliegens der Voraussetzungen die Handlung rechtswidrig gewesen sein könnte: Die Verordnung selbst könnte rechtswidrig sein. Hierzu diskutierten wir umfassend und unter Beteiligung aller Prüflinge über längere Zeit, ob die Voraussetzung der abstrakten Gefahr gegeben sei und es wurden lebensnahe Beispiele gefunden, in denen man von einer solchen sprechen könne. Abschließend wurde gefragt, was A tun kann, um sein Schild wiederzubekommen. Als potenzielle Anspruchsgrundlage wurde der Folgenbeseitigungsanspruch genannt. Als nach einer weiteren Rechtsgrundlage gefragt wurde, wurde § 46 PolG NRW genannt. Auf weitere Nachfrage, worauf der Kandidat den Anspruch stützen würde, sagte er: § 46 PolG NRW sei diesbezüglich spezieller und verdränge somit den Folgenbeseitigungsanspruch. der Prüfer bejahte das und beendete die Prüfung.
Allgemein lässt sich sagen, dass der Prüfer an sich während des Gesprächs stets freundlich war und mit jedem Prüfling in ein vertieftes Gespräch einsteigen wollte. Er fragte zumeist reihum der Sitzreihenfolge entsprechend, blieb aber jedes Mal längere Zeit bei dem jeweiligen Kandidaten.
Dennoch gab er sich niemals mit oberflächlichen Antworten zufrieden und ging der Sache auf den Grund. Er prüfte vielmehr Verständnis im Öffentlichen Recht ab als in anderen mündlichen Prüfungen, bei denen ich zugesehen habe, die eher nach klassischem Fall-Muster verliefen. Das ist einerseits vorteilhaft, weil es nicht ums Herunterbeten von Schemata ging, andererseits angesichts der mündlichen Prüfungssituation, in der ohne wirkliche Zeit zum Nachdenken sofort reagiert werden muss, durchaus anspruchsvoll, wenn es sich nicht um klassische Fragen handelt. Auch was die Benotung betrifft, haben sich die älteren Protokolle als zutreffend erwiesen. Sie orientierte sich ziemlich an den Vornoten und gingen sogar eher nach unten. Im Vergleich zu anderen Prüfern würde ich die Benotung des Prüfer daher als relativ streng einschätzen.