Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – NRW Januar 2016

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Orginal-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW vom Januar 2016. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen:  Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3
Vorpunkte 27 31 26
Aktenvortrag
Zivilrecht 9 8 5
Strafrecht 9 8 5
Öffentliches Recht 9 8 5
Endpunkte 72 55 37
Endnote 6,2 7,1 5,2

Zur Sache:

Prüfungsstoff:  protokollfest

Prüfungsthemen:  § 931, EBV

Paragraphen:  §§ 931, 989, 990 BGB

Prüfungsgespräch:  Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein

Prüfungsgespräch:

Prüfer diktierte eingangs sehr ausführlich einen ungewöhnlich langen Sachverhalt. Da unsere Prüfungsgruppe sehr lange brauchte, die genaue Anspruchsgrundlage zu finden, beantwortete Prüfer im Laufe des Prüfungsgesprächs viele Probleme von sich aus, um den Fall zu Ende zu bringen. So kam es leider kaum zu einem richtigen Prüfungsgespräch, was  vielleicht seiner Unerfahrenheit geschuldet ist. Er legt Wert darauf, in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen der Reihe nach anzuprüfen (Vertrag-Vertrauen-Gesetz) und die Anspruchsgrundlage genauestens zu zitieren. In unserem Fall ging es um um die Anspruchsgrundlage des § 989, 990 II BGB. Er lies nicht locker, bis wir Abs. 2 genannt hatten, was ziemlich viel Zeit gekostet hat. Dabei war es wegen des Sachverhaltes offensichtlich, dass ein Verzug vorlag und ich hätte ihn im entsprechenden Prüfungspunkt geprüft. Prüfer versuchte uns während des Suchens, zu beruhigen und sagte, das Finden der Anspruchsgrundlage wäre in diesem Fall auch das Anspruchsvollste. Am Ende des Prüfungsgespräches hat er dann beinahe eingeräumt, dass der Fall zu schwer war (bzw. zu lang für ein 50minütiges Prüfungsgespräch). Das berücksichtigte er dann aber wohl auch in seiner Notengebung. Vielleicht macht er es bei euch besser.
V und K schließen am 15.10.2015 einen Kaufvertrag über einen Mercedes Geländewagen. K bezahlt den Kaufpreis aber nicht sofort. Erst am 15.11.2015 soll der Kaufpreis bezahlt und der Wagen übergeben werden. Während V noch im Besitz des Wagens ist, baut er einen Unfall. Er bringt den Geländewagen in die Werkstatt des D zur Reparatur. V zahlt die Reparatur. Dennoch verweigert D die Herausgabe des Mercedes: Zur Begründung führt er eine Altforderung aus dem Jahr 2013 iHv 2000 Euro an, die D noch gegen V offen steht. Am 15.11.2015 zahlt K  vereinbarungsgemäß den Kaufpreis. V nimmt das Geld entgegen und ermächtigt den K, den Wagen bei D herauszuverlangen.
D weigert sich auch ggü. K, den Geländewagen herauszugeben. Daraufhin setzt K einen Anwalt ein, der D nochmals zur Herausgabe des Mercedes auffordert und ihm hierfür eine Frist setzt. Trotz Bedenken des D weigert sich dieser nach wie vor, den Wagen herauszugeben. Der K ist jedoch auf den Wagen angewiesen und mietet daher am 2.1.2016 einen Ersatzwagen an. Ende Januar zahlt V bei D und D ist zur Herausgabe des Mercedes an K bereit. Frage: Kann K gegen D Ersatz der Mehrkosten, die ihm wegen der Anmietung des Mietwagens entstanden sind, geltend machen?
Zunächst durfte ein Prüfling den Sachverhalt nochmals zusammenfassen. Prüfer wollte dann, dass man zunächst vertragliche Ansprüche mangels vertraglicher Beziehung zwischen K und D ablehnt.
Dann kamen wir sogleich zum EBV. Richtige Anspruchsgrundlage war hier wie gesagt §§ 989, 990 II BGB.
Voraussetzungen hier sind, dass K Eigentümer des Wagens geworden ist, D unmittelbarer Besitzer des Wagens ist und zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses (die Mietwagenanmietung am 2.1.2016) kein Recht zum Besitz hatte. Der nun drangenommene Prüfling durfte sich aussuchen, mit welcher der drei Voraussetzungen er die Prüfung beginnt. Er begann mit der ersten Voraussetzung fing chronologisch an, zu prüfen. Zunächst war V Eigentümer des Wagens. Wegen des Abstraktionsprinzips änderte auch der Abschluss eines Kaufvertrages mit K nichts an V’s Eigentümerstellung. Mit Zahlung des Kaufpreises seitens K an V am 15.11.2015 trat die Bedingung zur Übereignung des Wagens ein. Zu diesem Zeitpunkt war aber V nicht mehr im unmittelbaren Besitz (§ 854 I BGB) des Mercedes und konnte daher den Wagen nicht mehr nach § 929 S. 1 BGB übereignen. Eine Übereignung des Geländewagens nach § 930 BGB scheiterte an einer vereinbarten Sicherungsübereignung. Mithin konnte K nur noch nach § 931 Alt. 1 BGB Eigentum am Wagen erlangt haben. D ist als Dritter im unmittelbaren Besitz der Sache. V müsste einen Abtretungsvertrag geschlossen und K müsste einen Herausgabeanspruch haben. V ermächtigte den K, den Wagen bei D herauszuverlangen. Damit hat V an K den Herausgabeanspruch gegen D aus dem Werkvertrag
abgetreten, § 398 BGB. Mithin liegen die Voraussetzungen des § 931 Alt. 1 BGB vor. K ist Eigentümer des Wagens geworden. (Prüfer legte Wert darauf, zum Schluss der Prüfung das Ergebnis festzuhalten.) D war im unmittelbaren Besitz des Wagen zur Reparatur. Er könnte ein Recht zum Besitz gegen K aus dem Werkvertrag mit V haben, doch das scheidet wegen der Relativitätswirkung der Schuldverhältnisse aus. Daher kommt ein Werkunternehmerpfandrecht als recht zum Besitz in Betracht.
Dieses ist in § 647 BGB geregelt. Hier verweigerte D die Herausgabe des Wagens ggü. K wegen einer Altforderung ggü. V. Er macht also die Altforderung als Recht zum Besitz ggü. dem Neueigentümer geltend. Fraglich ist, ob dies möglich ist. Bzgl. der Altforderung hatte D den Wagen schon wieder an V herausgegeben. Damit ist das Pfandrecht durch Rückgabe erloschen. Wegen der Altforderung stand dem D daher kein Recht zum Besitz aus dem Werkunternehmerpfandrecht mehr zu. D könnte aber ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht nach den §§ 1204 ff. BGB geltend machen. Nach § 1257 BGB finden solche auch auf gesetzliche Pfandrechte Anwendung. Ein Recht zum Besitz aus rechtsgeschäftlichem Pfandrecht entsteht durch Einigung, Übergabe, Einigsein, Berechtigung.
Möglicherweise hat der K gutgläubig lastenfreies Eigentum am Wagen erworben, § 986 BGB. Dies scheidet allerdings wegen der Relativität der Schuldverhältnisse nach § 986 II BGB aus. D und K hatten sich nie über ein Pfandrecht geeinigt. D hatte kein Recht zum Besitz. Als letzte Voraussetzung des § 990 II BGB wurde noch der Verzug geprüft. Dieser ist in § 286 BGB geregelt und setzt einen fälligen, durchsetzbaren Anspruch voraus, Nichtleistung trotz Möglichkeit und eine Mahnung bzw. deren Entbehrlichkeit. Zwischen K und D bestand ein Schuldverhältnis in Form eines EBV. Pflichtverletzung war die Nichtherausgabe des Wagens. Die Aufforderung zur Leistung seitens des Anwaltes stelle eine Mahnung iSd Norm dar. D war auch bösgläubig, da er trotz aufkommender Zweifel den Wagen nicht an K herausgab. Zum Schluss wollte Prüfer noch wissen, woraus D von K verlangen könnte, 10 % von den Verzugskosten abzuziehen, da er durch die Mietwagennutzung keinen Verschleiß und keine Abnutzung an seinem Geländewagen hatte. Richtige Antwort war, dass sich K Kosten erspart hatte, die iRd Schadensberechnung nach der Differenzhypothese im Wege der Vorteilsanrechnung ausgeglichen werden müssten, damit K nicht bereichert ist. Damit war die Prüfung zu Ende.
Auch wenn Prüfer erst neu dabei ist, hält er sein Prüfungsgespräch freundlich, lobt eine gute Antwort oder hakt noch einmal nach, wenn man etwas Falsches gesagt hat. Viel Erfolg!

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