Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – NRW vom März 2017

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW vom März 2017. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen:  Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5 6
Vorpunkte 45 24 35 27 24 27
Zivilrecht 6 5 13 7 11 7
Strafrecht 6 5 13 7 11 7
Öffentliches Recht 6 5 13 7 11 7
Endpunkte 69 40 80 50 66 52
Endnote 6,9 4,0 8,0 5,0 6,6 5,2

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest, aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: Versammlungsrecht, Polizeirecht, Verwaltungsprozessrecht, Grundrechte, EU-Recht

Paragraphen:  §15 VersG, §80 VwGO, §123 VwGO, §8 GG, §18 AEUV

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, lässt Meldungen zu, verfolgt Zwischenthemen, lässt sich ablenken, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer hat uns den folgenden Fall geschildert:
Der Staatspräsident E eines nicht EU-Landes unternimmt staatliche Maßnahmen gegen Putschisten. Er will ein Referendum in seinem Land durchführen. Durch das Referendum will er die Verfassung reformieren, um mehr Machtbefugnisse zu erlangen. E will Wahlkampf diesbezüglich in Deutschland machen, da in Deutschland 1,4 Mio. Bürger seines Landes wohnen. Für die geplante Versammlung will man eine Halle der Stadt Köln im rechtlichen Sinne mieten. Die zuständige Behörde befürchtet Ausschreitungen und Gewaltausbrüche. Deswegen untersagt die Behörde dem E bei der Versammlung zu sprechen. Die Versammlung wird am 01.04.17 stattfinden. Jetzt hat man den 26.03.17. Der Verein, der die Versammlung organisiert, wehrt sich gegen die Auflage, dass E nicht sprechen darf.
Zuerst hat der Prüfer geschichtliche Fragen zum Versammlungsrecht gestellt – wie die Frage: Seit wann gibt es das Versammlungsgesetz? Außerdem stellte er Fragen zu den Kompetenzen, nämlich ob der Bund oder das Land zuständig ist.
Dann haben wir die Zulässigkeit geprüft, darunter Verwaltungsrechtsweg mit allen Theorien (die streitentscheidende Norm ist § 15 VersamG), aufdrängende und abdrängende Sonderzuweisungen,– die präzisen Begriffe waren ihm sehr wichtig. Besonders haben wir uns an dieser Stelle mit der statthaften Antragsart, nämlich Abgrenzung zwischen § 80 Abs. 5 und § 123 Abs. 1 VwGO auseinandergesetzt. Hier musste man daran denken, dass für eine Versammlung es generell keine Genehmigungspflicht gibt, dann die Anordnung als eine Versammlungsauflage (so zu sagen Beschränkung der Versammlung) qualifizieren – dann konnte man erkennen, dass das eigentliche Rechtsschutzziel Beseitigung dieser Versammlungsauflage ist, so dass in der Hauptsache die Anfechtungsklage und im einstweiligen Rechtsschutz § 80 Abs. 5 VwGO einschlägig ist. Der Prüfer fragte mich an dieser Stelle auch, ob es im öffentlichen Recht noch irgendwo anders einstweiliger Rechtschutz geregelt ist; die richtige Antwort ist § 32 BVefGG. Wir prüften dann weiter jeweils die einzelnen Voraussetzungen der Zulässigkeit: Antragsbefugnis, Antragsgegner, Beteiligte, Rechts-Schutzbedürfnis. Er legte sehr viel Wert auf Genauigkeit und präzise Antworten sowie saubere Definitionen. Immer wieder hat er kleine Fragen zum Polizeirecht gestellt, wie nach der Zuständigkeit der Polizei und nach den wichtigsten Kompetenzen, Standard-Ermächtigungen, Maßnahmen im Vorfeld einer Versammlung.
In der Begründetheit des § 80 Abs. 5 VwGO war ihm zunächst der Obersatz sehr wichtig. Auch die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung war für ihn von großer Bedeutung; so wollte er an dieser Stelle hören, dass die Anordnung zu begründen ist. Man muss also die einzelnen Prüfungspunkte des Standartprüfungsschemas gut kennen und diese sowie die einschlägige Definitionen und Kriterien, nach denen sich ihr Vorliegen richtet, schnell und sicher bringen.
Dann haben wir auch die Erfolgsaussichten in der Hauptsache geprüft – also die Voraussetzungen des §15 VersamG. Hier muss man alle Definitionen auswendig können – öffentliche Sicherheit, öffentliche Ordnung, Gefahrbegriffe usw. Auch hinsichtlich der Ermessensfehler und Verhältnismäßigkeit genügte allein die Erwähnung dieser Begriffe nicht. Er fragte nach den Einzelnen Ermessensfehler – Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch, Ermessensunterschreitung, Ermessensnichtgebrauch – und verlangte, dass man sie definieren bzw. zumindest in ihrem Kern umschreiben kann, dazu musste man optimal auch Beispiele zu diesen Kategorien kennen, da er auch nach solchen fragte. Bei der Verhältnismäßigkeit waren die einzelnen Voraussetzungen zu definieren und prüfen – legitimer Zweck, Erforderlichkeit, Angemessenheit, Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.
Er fragte mich auch nach den Unterschieden zwischen Art. 8 GG und VersamG. Antwort – im persönlichen Schutzbereich, da Art. 8 ein deutsches Grundrecht ist, das VersamG hingegen keine solche Einschränkung enthält. Dann hat er bei mir nachgehackt und gefragt, ob ein Franzose sich auf Art. 8 GG berufen kann. Antwort – ja, wegen Art. 18 AEUV (allgemeines Diskriminierungsverbot) und Anwendungsvorrang des EU-Rechts. Sofort wollte er noch wissen, was Anwendungsvorrang ist. Also, du musst sehr aufpassen, wenn du etwas aus den anderen Bereichen bringst, hackt er da gerne nach und er will das erklärt haben.
Insgesamt war die Prüfung ganz angenehm. Wie du siehst, war der Fall machbar, wenn das Standardwissen richtig sitzt. Also hab keine Angst!

Viel Erfolg!

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