Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – NRW vom März 2023

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

8,5

Gesamtnote 1. Examen

9,5

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Meinungsfreiheit Grundrechtsbindung von privaten AGs mittelbare Drittwirkung Art.11 GG Allgemeine Gesetze als Schranke

Paragraphen: §1 GG, §5 GG, §11 GG, §20 GG, §19 GG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer hat uns einen Fall diktiert, den es so ähnlich auch schon in den Protokollen gab, aber jetzt mit anderem Schwerpunkt abgefragt wurde. Ein Flughafen in NRW wird in Form einer AG betrieben. Dabei besitzt das Land NRW 50% der AG, die Stadt S in NRW hat 20% der Anteile und 30% der Anteile haben Privatpersonen. A als Aktivist gegen Abschiebung von Ausländern, auch als religiösen Gründen. A möchte im Terminal des Flughafens Flugblätter gegen die Abschiebung verteilen. Das Terminal ist dabei eine Halle, zu der jeder Zutritt hat, wo man Einkaufen und Essen gehen kann und was noch vor dem Sicherheitsbereich ist. Die A kündigt der F-AG ihr Vorhaben an. Danach erteilt die F-AG der A ein Hausverbot für das Terminal. Die Frage war: Verstößt das Hausverbot gegen die Rechte von A? Als erstes sollte jeder von uns (wir waren zu 5.) ein Grundrecht nehmen, was hier einschlägig sein könnte. Genannt wurden: Art. 2 I, 4 I, 5 I 1, 11, 8 GG. Die Versammlungsfreiheit wurde dabei direkt ausgeschlossen, weil A allein war. Dann wurde gefragt mit welchem Grundrecht der Prüfling anfangen würde, er nannte Art. 11 GG. Daraufhin musste er erklären wie man ein Grundrechtsverletzung generell prüft und mit dem Schutzbereich von Art. 11 GG anfangen. Dabei hat der Prüfer den Prüfling reden und prüfen lassen, obwohl klar war, dass er auf Art. 5 GG hinaus wollte. Der nächste Prüfling hat dann auch die Meinungsäußerungsfreiheit im Schutzbereich geprüft und bejaht. Danach kamen wir zu der Frage, ob die AG überhaupt an Grundrechte gebunden sind. Dann haben wir über mittelbare Drittwirkung geredet, wie die Anwendung findet (durch unbestimmte Rechtsbegriffe) und das deswegen ein Hausverbot Gründe braucht. Auf der anderen Seite war die Frage, ob die AG nicht doch öffentliche Gewalt ist wegen den 70% die in öffentlicher Hand ist. Dabei haben wir uns mit Art. 1 III GG beschäftigt und mit dem Argument „Keine Flucht in das Privatrecht“ (Genau dieses Stichwort wollte er hören). Das hat das Bundesverfassungsgericht für den Fraport entschieden. Dabei ging es auch um die Gewaltenteilung und Grundrechtsbindung, sowie Art. 20 III und die Leistungsverwaltung. Danach kamen wir dem Eingriff, wobei die Kandidatin den klassischen und modernen Eingriffsbegriff definiert hat. Durch eine nicht richtige Subsumtion kamen wir dann zu den Begriffen Verwaltungshelfer und Beliehene, zu denen er Beispiele hören wollte. Schlussendlich haben wir den Eingriff bejaht. Im Rahmen der verfassungsrechtlichen (wichtiges Wort, verfassungsrechtlich wollte er so hören) Rechtfertigung kamen wir zu der Unterscheidung zwischen den verschiedenen Schranken und dann zu der Definition von allgemeinen Gesetzen. Dabei wollte er auch wissen wie die Theorie heißt und aus welchen Theorien sich die Definition zusammensetzt (Sonderrechtslehre & Abwägungstheorie). Dann wurde die Frage gestellt, ob die allgemeinen Gesetze als Schranke überhaupt nötig ist und ob Art. 19 I 1 GG nicht reichen würde. Mit Hilfe vom Prüfer kam der Prüfling auf die Antwort, dass Art. 19 I 1 GG für alle Grundrechte gilt, allgemeine Gesetze aber neben konkret auch nicht individuell sein dürfen. Darüber wurde kurz über die Definition von einem Verwaltungsakt gesprochen. Dann haben wir am Schluss noch über die Ehre als Schranke gesprochen und ob die Ehre noch einen eigenen Sinn hat als Schranke. Dabei hat der Prüfer § 130 StGB genannt (für ihn ist § 130 STGB also keine ungeschriebene Ausnahme, sondern fällt unter den Ehrschutz). Am Ende haben wir noch über den Unterschied zwischen Recht (enthält auch Gewohnheitsrecht) und Gesetz in Art. 20 III GG gesprochen und kamen dadurch auf die Radbrusche Formel. Generell ist der Prüfer die Reihe gefolgt bei Fragen. Er hat aber auch Fragen frei gegeben, wenn der Prüfling es auch mit Hilfe nicht wusste. Mit Beantwortung dieser Fragen konnte man gute Punkte sammeln, also schnell melden. Auch hat der Prüfer, wenn man ihn aufmerksam angelächelt hat, verstanden dass man die Frage beantworten konnte und die Frage an die Person weitergegeben bevor der eigentlich Prüfling weiter machen konnte. Von den Themen her sollte man die Basics kennen in allen Gebieten, aber man braucht kein Sonderwissen. Die Frage mit der Radbruschen Formel mag er wohl gerne und er hinterfragt gerne, warum Sachen so im Gesetz stehen, und sucht Verknüpfungen. Die Antworten des Prüflings beeinflussen dabei weitere Fragen. Das heißt wenn ihr etwas erwähnt (Verwaltungsakt, mittelbare Drittwirkung, Beliehene) dann müsst ihr es auch definieren können und Beispiele wissen.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im März 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.