Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – NRW vom November 2016

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW vom November 2016. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen:  Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 64
Zivilrecht 11
Strafrecht 11
Öffentliches Recht 11
Endpunkte 103
Endnote 10,3

Zur Sache:

Prüfungsstoff:  aktuelle Fälle

Prüfungsthemen:  Bundespräsidenten, Feiertagsgesetz, Grundrechte und rechtstheoretische/-historische Anknüpfungen, Religionsfreiheit, insb. Negative

Paragraphen:  §1 GG, §4 GG, §140 GG, §8 GG, §9 GG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer begann mit den Worten: Eigentlich hatte ich heute etwas ganz anderes prüfen wollen, aber dann hörte ich am vergangenen Montag die Rede des derzeitigen Bundespräsidenten Joachim Gauck anlässlich des Reformationstages. Dessen Aussage, Martin Luthers damals hätte die Initialzündung der Grundrechte dargestellt, kann ich so nicht ohne weiteres stehen lassen.
Zum ersten Kandidaten: Wer war eigentlich vor Gauck Bundespräsident?
Die Frage wurde über mehrere Kandidaten weitergereicht, die alle die Antwort leider nicht nennen konnten, woraufhin Kandidatin #4 richtigerweise den Namen Heuss nennen konnte. Ich wurde daraufhin nach dem zweiten Bundespräsidenten gefragt (Heinrich Lübke).
Daraufhin ging es weiter mit dem Thema Grundrechte, bzw. deren historischem Ursprung.
Auf die Frage, was Grundrechte eigentlich seien, wollte Kandidatin #3 auf die Statuslehre von Jellinek verweisend über die Funktionen der Grundrechte sprechen, was der Prüfer jedoch nicht gefiel. Er gab das Wort weiter. Kandidatin #4 formulierte dann eine Definition von Grundrechten, im Endeffekt mit Blick auch auf Menschenrechte als übergesetzliche subjektive Rechte des Einzelnen. Dies gefiel dem Prüfer schon besser. Er fragte dann nach der Menschenwürde und ob diese eigentlich ein Grundrecht darstellte. Was genau die Menschenwürde ausmacht, konnte Kandidatin #4 leider nicht darstellen, gesucht war hier insbesondere die zumeist herangezogene Objektformel, die im Wesentlichen durch Dürig zu Bekanntheit und Bedeutung gefunden hat. Danach ist die Menschenwürde tangiert, wenn der Mensch zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht wird.
Nach einer kurzen Debatte über die Bedeutung der Menschenwürde als subjektives Recht ging die Frage nach der Grundrechtsqualität diese an mich weiter. Hören wollte der Prüfer hier die Argumente, dass zwar Art. 1 Abs. 3 dagegen angeführt werde, wobei die Menschenwürde an prominenter erster Stelle im Abschnitt I. Die Grundrechte stünde und damit jedenfalls auch formell als Grundrecht benannt werden müsse.
Danach ging es zurück in den historischen Ursprung von Grundrechten als subjektiven Rechten gegenüber dem Staat. Zu nennen waren die Magna Charta Libertatum, der Habeas Corpus Act, die Bill of Rights, insb. die Virginia Bill of Rights. Erfreut hat ihn der Verweis auf die Aufklärung, wobei hier wenige Namen nennen konnten (Immanuel Kant, Montesquieu). Auch die Zeit der Naturrechtler ist insoweit von besonderer Bedeutung (Thomas Hobbes, John Locke)
Nach diesem sehr mühseligen Start, der wohl mind. die ersten 15-20 Minuten für sich beanspruchte ging es weiter mit folgendem Fall:
Der Sportverein C hatte am Montagabend eine Halloween-Feier veranstalten wollen. Dies durfte er jedoch nur bis Mitternacht. Dies verärgerte die Mitglieder und Leitung sehr, denn eigentlich wollten sie es an dem Tag noch richtig krachen lassen. Aus welchem Grund könnte die Feier bis Mitternacht begrenzt worden sein?
#1: Vielleicht war sie unfriedlich?
Prüfer: Nein, von Unfriedlichkeit war keine Rede.
#2: Ging es vielleicht um Lärmbelästigung?
Prüfer: Nein, der Lärm war nicht das Problem.
#3 nannte dann richtigerweise den Feiertag Allerheiligen, der auf den folgenden Tag (Dienstag, den 1. November) fiel. Es ging daraufhin darum, das Feiertagsgesetz zu finden, und hier die einschlägige Norm (§ 6 Abs. 2 FeiertagsG).
Daraufhin fragte der Prüfer nach der materiellen Verfassungsmäßigkeit des Feiertagsgesetzes, beginnend mit der Nennung möglicher Gründe, die insoweit zu erwägen wären.
Genannt wurden allerlei Grundrechte: Art. 9 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 in Ausprägung als negative Religionsfreiheit. Schließlich auch Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV.
#1, der die Versammlungsfreiheit ins Gespräch brachte, sollte die Eröffnung des Schutzbereichs prüfen. Da es ihm schwer fiel, die unterschiedlichen Versammlungsbegriffe darzustellen, ging die Frage weiter an den zweiten Kandidaten. Auch hier wurde leider nicht deutlich zwischen den unterschiedlichen Versammlungsbegriffen unterschieden, mit einiger Hilfestellung dann aber der enge Versammlungsbegriff an die öffentliche Meinungsbildung und –Austausch als gemeinsamem Zweck fixiert. Leider gefiel es dem Prüfer nicht, dass der Kandidat nicht wusste, dass das Bundesverfassungsrecht seit dem Love-Parade Urteil 2001 prominenter Vertreter des engen Versammlungsbegriffs ist. Faktisch wird das Versammlungsrecht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts damit zum Demonstrationsgrundrecht, ein Begriff, nach dem der Prüfer suchte, der aber leider nicht genannt wurde.
Die Kandidatin, die die Vereinigungsfreiheit aufgeworfen hatte, durfte dann kurz erläutern, weswegen deren Schutzbereich nicht eröffnet ist.
Im Folgenden ging es um die negative Religionsfreiheit, deren Schutzbereich als eröffnet angesehen wurde, wobei diese keinen Konfrontationsschutz gewährt (Um ehrlich zu sein, hätte ich die negative Religionsfreiheit hier nicht als eröffnet erachtet, sondern die Verfassungsmäßigkeit am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GG geprüft, eben aus dem Grunde, dass diese keinen Konfrontationsschutz gewährt). Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung mussten dann die negative Religionsfreiheit auf der einen mit der positiven Religionsfreiheit auf der anderen Seite sowie dem verfassungsrechtlich garantierten Feiertagsschutz nach Art. 139 WRV (140 GG) in einen schonenden Ausgleich (praktische Konkordanz, Begriff geprägt von Hesse) gebracht werden.

Damit endete die Prüfung im Öffentlichen Recht.

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