Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Rheinland-Pfalz Juli 2015

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Orginal-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Rheinland-Pfalz vom Juli 2015. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4
Vorpunkte 6 8,9 6,38 6,83
Zivilrecht 7 11 8 6
Strafrecht 6 10 8 8
Öffentliches Recht 7 12 7 8
Endpunkte 56 86,4 61,28 63
Endnote 6,22 9,6 6,80 7,0

Zur Sache:

Prüfungsstoff:

Prüfungsthemen: Individualverfassungsbeschwerde gegen ein letztinstanzliches Urteil, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Aufhebung der Immunität im Bundestag, Entzug einer zunächst rechtmäßig erteilten Gaststättenerlaubnis

Paragraphen:  §93 GG, §19 GG, §5 GG, §15 GastG, §48 VwVG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein,  lässt Meldungen zu

 

Prüfungsgespräch:

Bei Beginn der Prüfung lag ein einseitiger Sachverhalt bereits auf dem Tisch, den wir auch nicht mitnehmen durften. Leider bekomme ich ihn nicht mehr im Detail zusammen.

Bundestagsabgeordnete B wird im Zusammenhang mit einem Foto auf der Internetseite der deutschen A-GmbH, einem Medienunternehmen, stark herabgewürdigt. Der Artikel zielt nur darauf hinab, die B persönlich anzugreifen und bezieht sich auf ihr Äußeres, der Art und Weise des Fotos und beklagt ihre Inkompetenz. Daraufhin klagt die B gegen diesen Internetartikel und erreicht beim letztinstanzlichen Urteil des zuständigen OLG, dass der Beklagte gem. §§ 823 I i.V.m. 1004 I S.1 analog wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 I i.V.m. Art 1 I GG dies zu unterlassen habe. Die A-GmbH will dies jedoch nicht auf sich sitzen lassen.

Was kann die A-GmbH dagegen unternehmen?

Antwort: Individualverfassungsbeschwerde gem. Art 93 I Nr. 4a, §§ 13 Nr. 8a, 90-95 BVerfGG. Dann musste die Verfassungsbeschwerde schulmäßig durchgeprüft werden. Das

Bundesverfassungsgericht ist keine Superrevisionsinstanz, letztinstanzliche Urteile können aber Klagegegenstand sein. Dabei ging er Schritt für Schritt die Kandidaten durch. Erster Problempunkt: Beschwerdebefugnis der A-GmbH, dies wollte er ausführlich erläutert haben. Die A-GmbH ist eine juristische Person und in der Verletzung von Grundrechten, die ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind, auch beschwerdebefugt gem. Art. 19 III GG. Nach der Bejahung der Zulässigkeit wollte er von einem Kandidaten wissen, was grundsätzlich bei einer Verfassungsbeschwerde angreifbar ist. Der Kandidat erwähnte eine Grundrechtsverletzung, Verletzung aus Prozessgrundrechten, etc. Der Prüfer wollte jedoch eine viel allgemeinere Antwort haben. Der Prüfling fand dann doch zum gewollten Ergebnis: Angreifbar sind alle Akte der drei Gewalten wegen ihrer Verfassungsbindung gem. Art. 20 III GG. Der Kandidat wurde öfter vom Prüfer unterbrochen.

Dann fuhren wir mit der Begründetheit der Verfassungsbeschwerde fort. Es wurde mit der

Meinungsfreiheit gem. Art. 5 I S.1 GG begonnen. Die eigentlich zunächst einschlägige Pressefreiheit gem. Art. 5 II S.2 GG wurde von dem Kandidaten in der Zulässigkeit nicht erwähnt. Eine solche ist nämlich bei Aussagen der Presse einschlägig, wird aber nach aktueller Auffassung des BVerfG abgelehnt, da Äußerungen im Internet nicht in den sachlichen Schutzbereich fallen (sog. Konservativer Pressebegriff). Der Prüfer ignorierte dies und die Meinungsfreiheit wurde schulmäßig durchgeprüft. Persönlicher, sachlicher Schutzbereich, Eingriff, verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Dass der sachliche Schutzbereich schon gar nicht eröffnet sein könnte, weil es sich um eine sog. „Schmähkritik“ handelte wurde von der Kandidatin gar nicht in Erwägung gezogen und auch vom Prüfer ignoriert. Dann wurde festgestellt, dass es einen Gesetzesvorbehalt gibt und es sollte klargestellt werden, was allgemeine Gesetze sind und welches dies im vorliegenden Fall sein könnte. § 823 I BGB ist ein allgemeines Gesetz, weil es nicht Meinungen als solche verbietet und Rechtsgüter schützt (Kombination des BVerfG aus Sonderrechtslehre und Abwägungslehre des Reichsgerichts). Dann sollte die Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Hier wurde dann gegen die Beschwerdeführerin entschieden, denn die Aussagen waren zu eindeutig beleidigend, daher überwog das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Dann wurde der Fall fortgesetzt.

Bei einer Bundestagssitzung äußert sich der Bundestagsabgeordnete X nach einer Rede der B zu den Ereignissen und sagt sinngemäß, dass die Rede die Inkompetenz der B beweisen würde, wie schon von der A-GmbH richtigerweise festgestellt. Von dem klagegegenständlichen Urteil hatte er Kenntnis.

Was kann die B dagegen unternehmen?

Die Kandidatin konnte leider keine Norm finden. Der Prüfer fragte dann einen anderen Kandidaten direkt, der schon erwartungsvoll den Prüfer anschaute. Dieser erwähnte die Immunität gem. Art. 46 II GG. Dazu wollte der Prüfer Ausführungen haben. Insbesondere wollte er wissen, was denn der Hintergrund der Norm sei. Hier nannte der Kandidat richtigerweise Handlungsfähigkeit und Unabhängigkeit des Parlaments und die Bedeutung für die funktionierende parlamentarische Demokratie. Aus historischer Erfahrung müssen Parlamentarier vor eventuell willkürlichen Verhaftungen von einer politisch feindlich gesinnten Justiz und Polizei geschützt sein. Danach fragte er eine weitere Kandidatin ob ihr noch was dazu einfällt, diese erwähnte richtigerweise die Indemnität gem. Art. 46 I GG. Grundsätzlich sind Äußerungen geschützt, außer sie fallen unter Art. 46 I S.2 GG. In unserem Fall war dies einschlägig, denn es handelte sich um verleumderische Beleidigungen i.S.d. § 185 StGB wonach diese nicht mehr unter den Schutz der Indemnität fallen und die Immunität aufgehoben werden kann. (Immunität ist lex specialis zur Indemnität)

Dann konstruierte er noch einen Fall.

A ist ein Betreiber einer Diskothek in der rheinland-pfälzischen Stadt O. Dazu erhielt er eine Genehmigung von der zuständigen Behörde. Im Laufe der nächsten Monate beschwerten sich jedoch zunehmend Anwohner im Umkreis der Diskothek über den Lärm, welcher tatsächlich auch die zulässigen Nachtimmissionswerte deutlich überschritten hat. Danach entzieht die Behörde die Erlaubnis.

Was kann der A dagegen unternehmen?

Der Kandidat begann dann damit den Verwaltungsrechtsweg zu eröffnen. Der Prüfer wollte jedoch wissen, warum das die Behörde überhaupt kann. Der Kandidat meinte, dann würde wohl ein belastender Verwaltungsakt vorliegen, welcher einer Ermächtigungsgrundlage bedarf. Diese wollte der Prüfer nun genannt haben. Der Kandidat nannte dann § 2 .. wonach der Prüfer ihn unterbrach und fragte im welchen Gesetz er denn nun sei? Er sagte richtigerweise GastG. Der Prüfer wollte hören, dass zunächst dieses Gesetz einschlägig ist, bevor irgendwelche Normen genannt wurden. Der Kandidat erklärte dann, dass die Erlaubnis gem. § 2 I GastG erteilt wurde und bevor der Kandidat weitermachen konnte unterbrach der Prüfer ihn wieder mit der Aussage, dass hier die Erlaubnis entzogen wurde. Der Kandidat erwiderte, dass er erklären wolle, dass eine Erlaubnis aus dem GastG gem. § 15 I zurückgenommen wird. Dies war die EGL die der Prüfer hören wollte. Diese wurden dann von der nächsten Kandidatin durchgeprüft. Insbesondere war § 4 I Nr. 1 GastG nicht einschlägig, sodass § 15 I GastG nicht als EGL dienen konnte. Dann wurde noch §§ 48, 49 VwVfG ins Rennen gebracht. Nun wollte der Prüfer vom nächsten Kandidaten wissen ob dies überhaupt funktioniert, wenn eine Rücknahme doch im GastG geregelt ist? Der Kandidat stellte fest, dass es sich bei § 15 I GastG um eine Norm handelte, die nur eine gebundene Entscheidung zur Folge haben kann und dass es sich bei §§ 48, 49 VwVfG um Normen handelt, die der Behörde ein Ermessen ermöglichen. Er wusste jedoch nicht, ob dies möglich ist und kam leider zum falschen Ergebnis, dass §§ 48, 49 VwVfG nicht gelten. Die nächste Kandidatin wusste auch nicht so recht weiter. Der Prüfer gab dann die richtige Antwort, nämlich dass es genau anders rum sei, eine subsidiäre Ermessensnorm wie §§ 48, 49 VwVfG darf angewendet werden, wenn es sich bei der speziellen Norm um eine handelt, welche nur gebundene Entscheidungen zulässt. Dies ergebe sich aus der Systematik. Zur Prüfung dieser Normen kamen wir nicht mehr, denn die Zeit war dann schon um. Zum Ende hin wurde der Prüfer etwas ungeduldig.

Viel Erfolg!

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