Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Bayern November 2015

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Orginal-Mitschrift aus dem Zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern vom November 2015. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5
Vorpunkte 6 4 7 9 4
Prüfungsgespräch 10 5 7 6 7
Endnote 8 9 6 7 10
Endnote (1. Examen) 7,1

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: kommunales Vertretungsverbot, Leistungsklage, Verfassungsrecht

Paragraphen: §50 GemO, §40 VwGO, §70 GG, §42 VwGO, §54 VwGO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort-Diskussion, lässt Meldungen zu, verfolgt Zwischenthemen

 

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer diktierte folgenden Fall:
A ist Eigentümer eines Grundstücks im Innenbereich in Nürnberg. A möchte dieses Grundstück mit einem Wohngebäude bebauen. Dieses Gebäude fügt sich auch ohne Weiteres in die nähere Umgebung ein (§ 34 BauGB).
A geht zur Stadt Nürnberg und bittet diese um eine Baugenehmigung. Die Stadt schließt aus diesem Grund mit A einen Vertrag mit dem folgendem Inhalt:
Die Stadt Nürnberg erteilt dem A eine Baugenehmigung und A verpflichtet sich im Gegenzug 10.000 € der Stadt Nürnberg für den Ausbau des Kindergartens zu zahlen. (Hinweis: Der Sohn des A besucht diesen Kindergarten.)
Anschließend baut A das Grundstück und zahlt im Gegenzug auch die 10.000 € an die Stadt.
A bereut diese Zahlung nach einiger Zeit und wendet sich daher an den Stadtrat und Rechtsanwalt R in Nürnberg, welcher Klage auf Rückzahlung des gezahlten Betrages beim VG Nürnberg erhebt.
In der mündlichen Verhandlung weist der zuständige Richter beim VG den R zurück.
Wie sind die Erfolgsaussichten der Klage?
Die Prüfung erfolgte – entsprechend der Sitzreihenfolge – nach dem allgemeinen Prüfungsschema verwaltungsrechtlicher Klagen:
Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 I 1 VwGO eröffnet, da insbesondere mit dem öffentlich rechtlichen Vertrag eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit gegeben ist.
Die Zuständigkeit des VG ergibt sich aus §§ 45, 52 VwGO.
Dann wurde etwas ausführlicher die statthafte Klageart diskutiert. Der Prüfer wollte hierbei eine genaue Abgrenzung zwischen Leistungs- und Verpflichtungsklage.
Ihm kam es darauf an, dass die Verpflichtungsklage nur dann statthaft ist, wenn der Erlass eines VA begehrt wird. Die Leistungsklage ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, wird aber in § 43 II VwGO vorausgesetzt. Sie existiert, damit der Rechtsweg zu den Gerichten (Art. 19 IV GG) ausreichend gewährt wird.
Es kam hier auch zu einem Exkurs, ob die Stadt auch privatrechtlich tätig werden kann:
Ja, z.B. bei den Mietverträgen oder durch AGB.
Ist dann der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet?
Ja, wegen der 2-Stufen-Theorie ist das „ob“ öffentlich-rechtlicher Art.
Wann wird eine öffentlich-rechtliche Körperschaft privatrechtlich tätig?
Meist im Zusammenhang mit dem Betrieb öffentlich-rechtlicher Einrichtungen, Art. 21 GO.
Dann wurde festgestellt, dass im konkreten Fall, die allgemeine Leistungsklage statthaft ist, weil man nicht den Erlass eines VA begehrt.
Eine Klagebefugnis ist notwendig um Popularklagen zu vermeiden.
Benötigt man eine Klagefrist?
Nein, da §§ 74, 52 VwGO ausdrücklich nur auf Anfechtungs-und Verpflichtungsklagen anwendbar sind und auch keine planwidrige Regelungslücke oder vergleichbare Interessenlage vorliegt.
Dann wurde nachgefragt, ob es hier Probleme im Rahmen der §§ 80,81 VwGO gäbe, weil der Anwalt in der mündlichen Verhandlung zurückgewiesen wurde.
Der Prüfling wies hierbei auf das kommunale Vertretungsverbot nach Art. 50 GO hin. Nach längerer Diskussion, kamen wir zum Ergebnis, dass Art. 50 GO einer ordnungsgemäßen Klageerhebung nicht im Weg steht, weil insbesondere nach Art. 67 I VwGO kein Anwaltszwang vor dem VG herrscht.
Im Rahmen des kommunalen Vertretungsverbots wurde auch nachgefragt, warum dieses allgemein möglicherweise problematisch sein könnte?
Im Hinblick auf Art. 12 GG könnte es z.B. eine Einschränkung der Berufsfreiheit sein, wobei dies von der Rspr. aber abgelehnt wurde. Außerdem wurde die formelle Verfassungsmäßigkeit im Hinblick auf die Zuständigkeit nach Art. 70 ff. GG problematisiert. Auch hier kamen wir zu dem Ergebnis, dass keine Zuständigkeit des Bundes gegeben ist und der Gesetzgeber daher eine solche Regelung erlassen durfte.
Dann wurde nach Bejahung der Zulässigkeit auf die Begründetheit eingegangen und auf die Frage, ob es bei der Leistungsklage eine Passivlegitimation gibt.
Dies wird von einer Auffassung nach § 78 I Nr. 1 VwGO analog bejaht und nach einer anderen Auffassung verneint.
Auf welche Rechtsgrundlage ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zu stützen?
e.A.: Art. 20 III GG- das Rechtsstaatsgebot
a.A.: § 812 BGB analog (wegen Art. 62 S. 2 BayVwVfG)
Dann wurde die Wirksamkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags (Art. 54 ff. BayVwVfG) geprüft und festgestellt, dass die Baugenehmigung auch hätte erteilt werden müssen, wenn A keine 10.000 € gezahlt hätte.
Im Ergebnis war der Vertrag jedenfalls nach Art. 59 BayVwVfG nichtig, sodass ein Anspruch auf Erstattung bestand.

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