Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Bayern vom Februar 2023

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

10,36

Gesamtnote 1. Examen

10,59

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: Warenverkehrsfreiheit Versammlungsfreiheit Grundrechtsfähigkeit von Beamten

Paragraphen: §34 AEUV

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort-Diskussion, lässt Meldungen zu, verfolgt Zwischenthemen, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Auf der Autobahn haben sich Klimakleber versammelt, sich teilweise auch festgeklebt und den Verkehr für ungefähr einen Tag lahmgelegt. In dem Stau befand sich auch der Spediteur S, der Waren von Frankreich über Deutschland nach Polen transportierte. Die Versammlung der Klimakleber wurde von der zuständigen Behörde genehmigt. Die Frage war nun, ob diese Fallkonstellation einen europarechtlichen Einschlag habe. Hier kamen wir auf die Warenverkehrsfreiheit. Ob diese betroffen sei, subsumierten wir ausführlich durch. Dabei wollte die Prüferin auch oftmals gerne eine Begründung dafür haben, woraus sich die aus dem Prüfungsschema bekannten Punkte rechtsmethodisch ergeben. So war der Grund für die vorrangige Anwendbarkeit des Sekundärrechts vor den Grundfreiheiten die Derogationsregel des spezielleren Gesetzes. Auch ließ uns die Prüferin argumentieren woraus sich ergebe, dass ein Grenzüberschreitender Bezug erforderlich sei, was der Binnenmarkt sei und wie dieser mit den Verkehrsfreiheiten zusammenhänge. Bei der Dassonville-Formel ließ uns die Prüferin argumentieren, warum diese problematisch sei und warum die Keck Formel hier keine sinnvolle Begrenzung darstellen kann. Auch diskutierten wir, inwieweit hier eine Maßnahme eines Mitgliedsstaates vorliege und ob eine Maßnahme auch dann bejaht werden könnte, wenn die Behörde die Versammlung nicht genehmigt, hätte aber auch keine Maßnahmen zur Auflösung oder Beschränkung ergreife. Anschließend kamen wir zur Rechtfertigung und stellten fest, dass kein geschriebener Rechtfertigungsgrund einschlägig ist. So prüften wir die Cassis Formel und ob die Versammlungsfreiheit als Grundrecht den Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit rechtfertigen könne. Hierbei war die Prüferin Ergebnisoffen. Die Prüferin stellte zudem die Frage, warum der EuGH wohl die Cassis Formel erfunden habe. Sie honorierte den Versuch, dass man diese im Wege einer teleologischen Extension der geschriebenen Rechtfertigungsgründe bilden könne. Allerdings war die richtige Antwort, dass die Cassis Formel ein Korrektiv zur sehr weiten Dassonville-Formel darstelle. Sodann fragte die Prüferin, ob der Spediteur gegen die Behörde auch dann vorgehen könne, wenn man eine Verletzung der Warenverkehrsfreiheit verneinen würde. Dies war zu bejahen, da Genehmigung durch die Behörde auch eine Verletzung nationalen Rechts darstellen könnte und somit eine Feststellungsklage bzw. Fortsetzungsfeststellungsklage des S in Betracht kämen. Auch könnte S unter Umständen Amtshaftungsansprüche geltend machen. Als nächstes schilderte die Prüferin, dass die Bürgermeisterin der Gemeinde G, in dessen Hoheitsgebiet die Versammlung stattfand, auf der Gemeindehomepage schrieb, dass die Versammlung rechtsstaatsfeindliche Mittel einsetze und sie deswegen die Bürger dazu aufrufe der Versammlung nicht beizuwohnen. Sie fragte uns dann, ob dieses Verhalten der Bürgermeisterin rechtmäßig gewesen sei. Zunächst besprachen wir, ob hierzu überhaupt eine Rechtsgrundlage notwendig sei. Dies bejahten wir damit, dass das Verhalten einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit nach dem modernen Eingriffsbegriff darstellen könnte. Auch problematisierten wir die Abgrenzung zwischen privates Handeln der Bürgermeisterin und ihrem Handeln grade als Bürgermeisterin. Zuletzt stellte die Prüferin an mich die Frage, warum, mit einem präzisen Argument, das Handeln der B nur staatliches sein kann und kein privates. Die Antwort hierauf war, dass man die Website als öffentliche Einrichtung gem. Art. 21 GO ansehen kann.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern im Februar 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.