Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Bayern vom Oktober 2023

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Endpunkte

9,03

Endnote

9,74

Endnote 1. Examen

6,88

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Einwirkungen des Nachbargrundstücks

Paragraphen: §903 BGB

Prüfungsgespräch: Diskussion, Hart am Fall

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer stellte zu Beginn einen Fall als Zivilrechtsstreit. Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Auf dem Grundstück der Beklagten steht unweit der Grundstücksgrenze eine Pappel. Diese Pappel schlägt Wurzeln, die mittlerweile auf das Klägergrundstück überwachsen. Als Folge davon wurden nun einige Pflastersteine auf der klägerischen Garageneinfahrt angehoben. Der Kläger fordert nun vom Beklagten unter Fristsetzung: 1. die Fällung der Pappel oder Beseitigung der Wurzeln sowie 2. die Vorsorge gegen zukünftigen Überwuchs der Wurzeln durch eine sog. Wurzelsperre. Der Beklagte weigert sich, all dies zu unternehmen. Daraufhin klagt der Kläger auf die Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 2000€ für die bereits genannten Maßnahmen. Er hat bisher die Maßnahmen noch nicht selbst vorgenommen. Des Weiteren erhebt er Klage auf Feststellung, dass eine Ersatzpflicht der Beklagten auch für zukünftige Schäden besteht. Das Amtsgericht gab der Klage zunächst statt. Hiergegen legten die Beklagten Berufung ein. Daraufhin wies das Landgericht die Klage ab. Der Prüfer wollte zunächst etwas zur prozessualen Situation in der Berufung wissen. So fragte er wo die Berufung geregelt ist, 511 ff. ZPO. Des Weiteren wollte er wissen, ob das Berufungsgericht eine zweite Tatsacheninstanz ist und wo dies geregelt sei. In 531 II ZPO ergibt sich, dass das Berufungsgericht die Tatsachen selbst würdigt, dabei aber die Tatsachengrundlage der Erstgerichts zugrunde legt. Nur in den in Abs 2 genannten Fällen werden neue Tatsachen berücksichtigt. Der weiteren wollte der Prüfer wissen in welchem Umfang das Berufungsgericht das Urteil prüft. Gem. 528 ZPO orientiert sich das Berufungsgericht an den Berufungsanträgen. Sodann ging es ins materielle Recht. Der Prüfer wollte zunächst alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen erfahren. Vertragliche und quasivertragliche Ansprüche könnten als Nebenpflichten bestehen, sind aber abwegig. Es kommt ein Anspruch nach Geschäftsführung ohne Auftrag gem. 683 BGB in Betracht. Es wurde erörtert, dass die Entfernung der Wurzeln nach der Rechtsprechung durchaus ein auch fremdes Geschäft darstellt. Allerdings scheitert der Anspruch wegen der Rechtsfolge. Denn der Kläger klagt gerade auf Vorschuss, hat also keine Aufwendungen bisher getätigt. Sodann kam 1004 in Betracht. Der Prüfer hakte dann nochmal mit dem konkreten Anspruchsbegehren nach. Er wollte darauf hinaus, dass 1004 BGB nur auf Beseitigung und Unterlassung gerichtet sein kann, weswegen ein Vorschuss nicht umfasst ist. Deshalb kommt 1004 nur in Verbindung mit 823 BGB in Betracht. Die tatbestandliche Rechtsgutverletzung konnte hier angenommen werden. Für einen Anspruch aus 823 BGB fehlte auf Beklagtenseite jedoch das Verschulden hinsichtlich des Überwuchses der Wurzeln. Der Prüfer fragte dann nochmal nach, ob wir nicht noch eine weitere Anspruchsgrundlage finden würden. Mit ein bisschen blättern kam man dann auf 906 II 2 BGB. Dieser bezieht sich trotz der gemeinsamen Verortung von Abs. 1 nicht nur auf die dort genannten Immissionen, sondern auf sämtliche Einwirkungen des Nachbargrundstücks. Der Prüfer fragte dann, wie die Rechtsprechung 906 II BGB anwendet. Geht sie hier restriktiv hinsichtlich der Einwirkungen oder großzügig vor, fordert also nur eine geringe Beeinträchtigungs-schwelle. Tatsächlich ist die Rechtsprechung hier großzügig. Es waren hier aber alle Argumentationen vertretbar. Hiermit war die Prüfung dann beendet. Im Ergebnis war alles machbar. Was bei dem Prüfer sehr wichtig ist, ist das gute Argumentieren mit den entsprechenden gesetzlichen Grundlagen. Wie geschildert setzt er sich mit euren Argumenten gerne auseinander. Viel Erfolg!

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern im Oktober 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.