Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Berlin im August 2015

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Orginal-Mitschrift aus der Mündlichen Prüfung des Zweiten Staatsexamens in Berlin/Brandenburg vom August 2015. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen:  Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Prüfungsgespräch Frage-Antwort:

Prüfungsstoff : protokollfest

Prüfungsthemen:

Unternehmerregress, Nacherfüllung, Kaufgewährleistung,

Vollstreckungsgegenklage

Paragraphen: §478 BGB , §437 BGB , §439 BGB , §767 ZPO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Die Fragen im Vertiefungsgespräch betrafen Probleme bei der Zuständigkeit und bei prozessuale Probleme bei Schmerzensgeldklagen. Er wollte insbesondere wissen, welche Besonderheiten bei § 32 ZPO bestehen (doppelrelevante Tatsache, Prüfung des Anspruchs unter allen in Betracht
kommenden Gesichtspunkten, § 17 II GVG, weiterer besonderer Gerichtsstand zur Wahl gemäß § 35 ZPO). Mit Blick auf das Schmerzensgeld sollte dargelegt werden, warum eine Ausnahme von § 253 II Nr. 2 ZPO vorliegt (Schätzung gemäß § 287 ZPO möglich), welche Anforderungen dann aber an die Klagebegründung gestellt werden (Angabe der Tatsachengrundlage für die Schätzung) und welche Auswirkungen sich bei den Kosten ergeben (§ 92 II Nr. 2 ZPO) sowie mit Blick auf eine mögliche Beschwer für die Berufung (keine Beschwer, wenn 2.000 Euro in Klagebegründung angegeben und ausgeurteilt, der Kläger sich aber „insgeheim“ 10.000 Euro vorgestellt und tatsächlich erwartet hat,
dass das Gericht dies auch so sieht).
In materieller Hinsicht wurde dann noch die Frage aufgeworfen, was wäre wenn bei Eheleuten der Mann aufgrund eines Delikts getötet wäre. Kann die Frau dann Ansprüche geltend machen? Zum einen kann sie die gemäß § 1922 I BGB übergegangenen Ansprüche des Mannes geltend machen,
auch der Schmerzensgeldanspruch ist vererblich. Zum anderen kann sie eigene Ansprüche gemäß §§ 844, 845 BGB geltend machen. Hierfür ist – anders als sonst im Deliktsrecht grundsätzlich – keine eigene Rechtsgutverletzung bei der Frau erforderlich.
Der Prüfer stellte im Prüfungsgespräch zunächst folgenden Fall:
Der Tischlereibetrieb T baut bei der Familie F, die Bauherrin eines Neubaugebäudes ist, Fenster ein, die eine spezielle Aluminiumbeschichtung haben. T hat die Fenster vorher von dem Händler H erworben, der wiederum von dem Produzenten P, der die Beschichtung vorgenommen hat.
Einige Zeit nach dem Einbau blättert der Lack von den Fenstern ab und F verlangt von T Austausch der Fenster. Dem kommt F nach. Die Kosten, die er dafür aufwendet, will er von H ersetzt haben.
Was ist die Anspruchsgrundlage? Es wurde vom ersten Kandidaten §§ 437 Nr. 1, 439 BGB und § 437 Nr. 1, 280 I BGB aufgeworfen. Der Prüfer wollte aber auf § 478 BGB als Anspruchsgrundlage hinaus. Dann müsste T aufgrund eines Kaufvertrages gegenüber F aus Gewährleistungsrecht haften.
Die Prüfung beschäftigte sich dann mit der Einordnung der verschiedenen geschlossenen Verträge dahingehend, ob es sich um Kauf-, Werk- oder Werklieferungsverträge handelt. Es sollten die jeweiligen Charakteristika genannt werden. Insbesondere wollte der Prüfer Rechtsprechung typischerweise abgrenzt. Entscheidend ist, dass bei einem Werk- und auch bei einem Werklieferungsvertrag zu der Übereignung der Sache eine gewisse „geistige“ Tätigkeit hinzukommt. Genannt wurden als Beispiel der Einbau einer individuell geplanten Einbauküche und Photovoltaikanlagen. Wir einigten uns darauf, dass zwischen T und F ein Werkvertrag besteht,
zwischen T und H jedoch ein reiner Kaufvertrag. Für § 478 BGB wird jedoch ein Kaufvertrag gefordert, der hier – im Verhältnis T und F – eben gerade nicht vorliegt. Eine analoge Anwendung ist nicht geboten.
Der Prüfer fragte sodann nach weiteren Anspruchsgrundlagen. § 439 I BGB wurde aufgeworfen und geprüft. Es ging um die Problematik des Ersatzes von Ein- und Ausbaukosten im Rahmen der Nacherfüllung. Die Rechtsprechung entscheidet hier unterschiedlich, je nachdem ob es sich um einen Verbrauchsgüterkauf (§ 474 BGB) handelt, oder nicht. Nur im Rahmen des § 474 BGB sind die Kosten ohne Weiteres ersatzfähig. Im Übrigen können sie nur im Rahmen eines Schadensersatzanspruches gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB (Mangelfolgeschaden) geltend gemacht
werden. Da hier T und H beides Unternehmer waren, kam § 439 I BGB somit nicht in Frage. Es war daher § 437 Nr. 3, § 280 I BGB zu prüfen. Problematisch war das Verschulden. H hat keine eigene Prüfungspflicht für sämtliche Waren, die er verkauft. Er muss nur Stichproben nehmen. Dass er dem hier nicht genügt hat, war nicht ersichtlich. Ihn persönlich trifft also kein Verschulden. Er muss sich aber auch nicht ein etwaiges Verschulden des Herstellers P zurechnen lassen. P ist nicht gemäß § 278 BGB Erfüllungsgehilfe des H, da er ihm nicht bei der Erfüllung einer Verbindlichkeit behilflich ist.
T hat damit keine Ansprüche gegen H, da andere Anspruchsgrundlagen nicht ersichtlich sind.
Für die zweite Hälfte der Prüfung teilte der Prüfer einen kurzen Fall aus:
B war am 4.6.14 vom Landgericht Berlin zur Zahlung von 20.000 Euro an K verurteilt worden. Am 20.6.14 fand der Prozessbevollmächtigte des B in dessen Unterlagen ein Schreiben des K an B, das von 2013 datierte. Hiernach hatte der K dem B 5.000 Euro bis zum 31.12.14 gestundet. Am 1.8.14 stundete der K dem B weitere 5.000 Euro bis zum 31.12.15. Am selben Tag rechnete B gegenüber K mit einer Forderung in Höhe von weiteren 5.000 Euro auf, die er bereits seit dem 2.1.14 hatte. B möchte nun verhindern, dass K vollstreckt.
Dies kann er mit der Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO erreichen. Wir prüften zunächst die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer solchen Klage durch. Zuständigkeit des Prozessgerichts (siehe auch § 802 ZPO – ausschließlicher Gerichtsstand) und Rechtsschutzbedürfnis, da bereits die Vollstreckung droht.
In materieller Hinsicht ging es zunächst um die Stundungen. Es war zu prüfen, ob es sich bei einer Stundung um eine „Einwendung“ im Sinne von § 767 I ZPO handelt. Die Stundung ist ja eigentlich eine Einrede. Es wurden Argumente für eine analoge Anwendung gesammelt. Letztlich bejahten wir die Anwendbarkeit, da dasselbe Interesse besteht, die Vollstreckung abzuwenden. Problematisch war bzgl. der Stundung aus 2013 aber, dass diese Einwendung gemäß § 767 II ZPO präkludiert war. Nur die spätere Stundung konnte geltend gemacht werden.
Bzgl. der Aufrechnung war der Streit darzustellen, worauf im Rahmen von § 767 II ZPO abzustellen ist. Richtigerweise ist dies der Zeitpunkt der Aufrechnungslage und nicht die Erklärung der Aufrechnung wegen des Schutzes der Rechtskraft und des Rechtsfriedens. Dies ist anders bei der
einseitigen Erledigungserklärung.
Es war dann ein entsprechender Tenor zu bilden:
„Die Vollstreckung wird in Höhe von 5.000 Euro für unzulässig erklärt bis zum 31.12.15. Im Übrigen Bei den Kosten war eine Quote zu bilden (1/4 gegen 3/4). Die vorläufige Vollstreckbarkeit bezog sich, da es sich um ein Gestaltungsurteil handelt, nur auf die Kosten.

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