Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Berlin im Februar 2017

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Berlin im Februar 2017. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5
Vorpunkte 6,5 5,4 5,4 7,4 7,4
Aktenvortrag 12 9 7 14 6
Prüfungsgespräch 15 11 11 16 13
Endnote 9,1 7,5 7,1 10,1 8,3
Endnote (1. Examen) 9,5

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: Einstweiliger Rechtsschutz im Zivilrecht, einseitige/übereinstimmende Erledigungserklärung, Richtertätigkeit

Paragraphen: §745 BGB, §59 ZPO, §91a ZPO, §321a ZPO, §935 ZPO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, verfolgt Zwischenthemen, lässt sich ablenken

Prüfungsgespräch:

Insgesamt kann man sagen, dass es eine „typische“ Prüfung von diesem Prüfer war. Der Prüfer ist zwar nicht protokollfest und hat – obwohl er einen Tag vor unserer Prüfung auch geprüft hat – wieder etwas ganz Anderes gemacht, aber er hat gewisse Lieblingsthemen, die immer wieder in den Protokollen auftauchen (§ 495 a, § 321 a ZPO, Einstweiliges Rechtsschutz, Vorgehensweise Richter) und prüft grds. Sachen von seinem Schreibtisch.
Zu Beginn der Prüfung (Der Prüfer bezeichnete dies als „Aufwärmen“) ging es los mit seinen typischen tagespolitischen/geschichtlichen Fragen:
Welches Land in Europa wählt als nächstes sein neues Staatsoberhaupt?
Antwort: BRD, 12.2.2017, Bundespräsidenten
Wodurch wird der Bundespräsident gewählt?
Antwort: Durch die Bundesversammlung
Welcher Präsident wurde in Deutschland direkt durch das Volk gewählt?
Antwort: Hindenburg und Friedrich Ebert
Dann begann der rechtliche Teil der Prüfung: Wir sollten uns alle vorstellen wir seien Richter und aus dieser Perspektive die Fragen beantworten:
Was ist eine Schutzschrift?
Antwort: Schutzschriften sind vorbeugende Verteidigungsschriftsätze gegen erwartete Anträge auf Arrest oder einstweilige Verfügung. § 945 a ZPO. Schutzschriftregister.
Wie kann im einstweiligen Rechtsschutz entschieden werden?
Durch Urteil oder Beschluss.
Was ist der Regelfall in der Praxis?
Durch Beschluss.
Wovon ist es abhängig ob durch Urteil oder Beschluss entschieden wird?
Durch Urteil wird entschieden, wenn eine mündliche Verhandlung anberaumt wird. Durch Beschluss bei besonders dringenden Sachverhalten. Wenn der Verdacht besteht, dass der vorgetragene Sachverhalt in dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht der Wahrheit entspricht, wird mündliche Verhandlung anberaumt.
Was ist Rechtsmittel gegen einen Beschluss?
Widerspruch, 924 ZPO
Welches Rechtsmittel legt man ein, wenn mündliche verhandelt wird?
Berufung.
Wann ist die Beschwerde statthaftes Rechtsmittel?
Wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits zurückgewiesen wird, da er unzulässig oder unbegründet ist.
Was kann der Richter noch machen um den Antrag nicht zurückweisen zu müssen?
Richterlicher Hinweis (§ 139 ZPO), Terminieren
Können Sie sich einen Fall vorstellen, bei dem obwohl kein Anspruch besteht, trotzdem eine einstweilige Verfügung erlassen wird? Beispiel?
Ja, wenn sonst durch das Zuwarten ein irreparabler Schaden entsteht. Beispiel: Obwohl die Stromrechnung nicht bezahlt wurde, stellt der Stromlieferer diesen im Winter ab und es kann nicht mehr geheizt werden. Er konnte also berechtigt kündigen, aufgrund der Zwangslage durch den Winter, aber Vss für einstweilige Verfügung (+).
Im Anschluss an die Fragen zum einstweiligen Rechtsschutz teilte der Prüfer ein Blatt mit einem Fall aus (eine beschriebene Seite, die er zunächst vorgelesen hat). Es handelte sich dabei um einen Auszug aus einer seiner Akten:
A und B sind Miteigentümer einer Wohnung und bedienen hierfür ein Darlehen. Später übertragen Sie ihren Anteil daran an ihren Sohn C. Die Wohnung gehört einer Wohnungseigentümergesellschaft. Die Übertragung wird notariell beurkundet, wie folgt:
„A und B können die Wohnung weiter nutzen. Weitere Vereinbarungen werden gesondert geregelt.“
Nun ergeht ein Beschluss durch die Wohnungseigentümergesellschaft, das A und B eine Nutzungsentschädigung zahlen sollen.
Besteht ein Anspruch auf diese Nutzungsentschädigung? (5.000 Euro)
Bevor wir uns dem materiellen Teil des Falles ganz zum Schluss der Prüfung zugewandt haben, fragte der Prüfer zunächst, was wir als Richter mit diesem Fall machen würden.
Überprüfen ob Gerichtskosten eingezahlt wurden (hier winkte der Prüfer schon ab, dass würde er nicht mehr fragen)
Überprüfen ob man als Richter zuständig ist. Wonach? Sachliche Zuständigkeit grds. nach dem Streitwert § 71 GVG, aber hier evtl. ausschließliche Zuständigkeit wegen Wohnraum § 23 I Nr. 2 GVG. Örtliche Zuständigkeit § 12, 13 ZPO bzw. Wohnraum § 29 a ZPO.
Danach prüfen, ob ein früher erster Termin (§ 275 ZPO) oder das schriftliche Vorverfahren (§ 276 ZPO) angeordnet wird.
Was könne man noch überlegen, um den Fall schnell vom Tisch zu bekommen?
Zwar passt der Streitwert nicht, aber ggf. Entscheidung nach billigem Ermessen § 495 a ZPO
Wie ist das bei § 495 a ZPO, wenn eine Partei trotzdem unbedingt vor Gericht erscheinen möchte?
Nach § 495 a S. 2 ZPO muss mündlich auf Antrag verhandelt werden.
Wenn der Richter trotz Antrag nicht mündlich verhandelt, was kann man dann machen?
Gehörsrüge § 321 a ZPO
Was passiert, wenn nun nach Schluss der mündlichen Verhandlung ein neuer Sachvortrag von einer der Parteien vorgetragen wird?
156 ZPO Wiedereröffnung des Verfahrens.
Nun haben Sie den Fall auf dem Tisch, was würden Sie noch machen?
Ggf. kann hier nicht alleine geklagt werden, sondern es handelt sich um eine Bruchteils Gemeinschaft (§ 741 BGB), die nur gemeinsam klagen kann.
Was ist die Bruchteils Gemeinschaft prozessual?
Notwendige Streitgenossen § 59 ff ZPO.
Wie ist nun materiell über die Nutzungsentschädigung zu entscheiden?
Hier wurde Nutzungsentschädigung nach Bereicherungsrecht, EBV angesprochen, was ihm aber nicht so gefiel. Letztlich ist ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung wohl für die Vergangenheit nicht gegeben, da dies nicht zwischen den Parteien geregelt wurde, aber woraus sich dies ergibt, konnten wir nicht herausfinden. Am Schluss haben wir alle noch ein wenig geraten, ohne die Antwort zu kennen bzw. diese vom Prüfer mitgeteilt zu bekommen. Insgesamt hatten wir aber für die materiell-rechtliche Prüfung nur noch wenige Minuten Zeit, so dass dieser Teil der Prüfung zum Glück schnell vorüberging.
Nach meiner Erinnerung wurden alle Kandidaten mit 11-12 Punkte benotet. Ich würde die Benotung als fair einstufen, wobei bis auf den materiellen Teil der Prüfung, von dem wir die Lösung nicht kannten, wir alle Antworten auf seine Fragen nennen konnten und ich daher nicht sagen könnte, was man bei ihm machen muss um eine (noch) bessere Punktzahl zu erhalten, zumal die Prüfung eher einer schnellen Frage-Antwort Runde gleicht ohne in die Tiefe zu gehen.

Euch viel Glück, bald habt ihr es geschafft.

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