Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Berlin vom August 2023

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

11,5

Gesamtnote 1. Examen

11,87

Gesamtnote 2. Examen

9,34

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung

Paragraphen: §123 VwGO, §42 VwGO, §5 PartGG, § 80 VwGO, § 78 VwGO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort,  Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer schilderte zunächst folgenden Fall: Die kreisfreie Stadt B in Brandenburg verfügt über eine Stadthalle. Diese wird für diverse Veranstaltungen zur Verfügung gestellt. Die rechtsextreme Partei A (aus Thüringen) möchte die Stadthalle im August nutzen für eine Wahl-Veranstaltung. Sie beantragt daher im Juni die Zulassung zur Nutzung. Diese wird von der zuständigen Behörde abgelehnt. Sie sind Anwalt, was würden Sie tun? Zunächst wurde der einstweilige Rechtsschutz angesprochen, wobei der Prüfer wissen wollte, welche Arten es gibt, wo diese im Gesetz stehen und wie sie voneinander abzugrenzen sind. Dann wollte er konkret wissen, welche Antragsart hier statthaft wäre und was die Klageart in der Hauptsache sei. (§ 123 I VwGO in der Form einer Regelungsverfügung, weil in der Hauptsache eine VK statthaft wäre.) Dann fragte er wonach sich die Antragsbefugnis richten würde. (§ 42 II VwGO analog.) Warum müsse § 42 II VwGO analog angewandt werden? (§ 42 II VwGO gilt direkt nur für AK und VK. Hier ist aber eine planwidrige Regelungslücke und vergleichbare Interessenslage gegeben.) Dann wollte er wissen, nach welcher Theorie sich die Klagebefugnis vorliegend richtet? (Möglichkeitstheorie.) Warum nicht nach der Adressatentheorie? (Adressatentheorie bezieht sich nur auf Anfechtungssituation.) Sodann wollte er wissen, warum sich ein möglicher Anspruch bei der VK eher nicht aus GR ergeben kann. (Weil diese Abwehrrechte gegen den Staat sind und i.d.R. keine Ansprüche begründen.) Anschließend fragte er uns in welchem Gesetz eine mögliche AGL zu finden sei. Nachdem die BbgKVerf genannt wurde, fragte er, ob es sich hierbei wirklich um eine Verfassung handeln würde. Sodann wollte er die genaue AGL (§ 12 KVerf) wissen und ob nach dem Wortlaut ein Anspruch möglich wäre (Ja). Gäbe es noch eine andere mögliche AGL? (§ 5 PartG) Sodann fragte er, wer denn in Brandenburg der richtige Klage- bzw. Antragsgegner sei und aus welchen Normen sich dies ergibt. (§ 78 I Nr. 2 i.V.m. § 8 II BbgVwGG) Wer ist vorliegend in der kreisfeien Stadt B richtiger Beklagter? (Oberbürgermeister.) Wo findet man den Begriff Oberbürgermeister im Gesetz? (§ 53 IV BbgKVerf) Dann wollte wissen, wonach sich die Partei- und Prozessfähigkeit der Behörde und der Partei bestimmt, wobei die Partei kein e.V. sei. (OB: § 61 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 8 I BbGVwGG und Partei: § 61 Nr. 2 VwGO.) Anschließend sind wir in die Begründetheitsprüfung übergegangen. Es sollte der Obersatz für den Antrag nach § 123 I VwGO gebildet werden. Er wollte zudem wissen aus welcher Norm sich die „Glaubhaftmachung“ ergibt. (§ 123 III VwGO i.V.m §§ 920, 294 ZPO) Anschließend sollte je ein Kandidat den § 12 KVerf und den § 5 ParteiG durchprüfen. (Bei beiden waren die Vss. problemlos gegeben, es genügte den Wortlaut vorzulesen und zu bejahen.) In Bezug auf den § 5 PartG wollt er wissen, ob es sich um eine gebundene Entscheidung handle. Nachdem darauf hingewiesen wurden, dass es sich nach dem Wortlaut um eine Soll-Vorschrift handle und damit möglicherweise ein intendiertes Ermessen gegeben sei, wollte er erklärt bekommen, was das bedeutet und ob das tatsächlich vorliegend der Fall sei. (Argument dafür: Wortlaut. Dagegen: Soll-Vorschriften stammen aus dem Ordnungsrecht und sollen Flexibilität bei a-typischen Fällen schaffen, die Situation sei nicht mit dem ParteiG vergleichbar.) Somit lag ein Anordnungsanspruch vor und er wollte wissen, ob man jetzt die Behörde einfach verpflichten darf. Es wurde die Vorwegnahme der Hauptsache angesprochen. Er wollte wissen, wobei es sich hierbei handelt, warum grundsätzlich eine Vorwegnahme nicht erlaubt sei und wann eine Ausnahme davon gemacht wird. (Vorläufiger Rechtsschutz soll nicht das gewähren, was die Hauptsache gewährt. Wegen Art. 19 IV GG kann davon jedoch eine Ausnahme zu machen sein, wenn der Nachteil durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rückgängig zu machen geht und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Sache in der Hauptsache Erfolg haben würde.) Abschließend fragte er, nach welcher Norm der Beschluss ein Titel sei? (§ 168 I Nr. 2 VwGO) Was würde passieren, wenn die Behörde den Beschluss nicht umsetzt? (Zwangsgeld gegen die Behörde, § 172 VwGO) Was könnte man tun, wenn die Behörde trotz Zwangsgeld den Beschluss weiterhin nicht umsetzt? (Erneut Zwangsgeld androhen, § 172 S. 2 VwGO.) Was könnte man tun, wenn die Behörde trotz wiederholtem Zwangsgeld nicht umsetzt? (Es wurde die Möglichkeit besprochen über § 167 VwGO Normen der ZPO anzuwenden.) Welche ZPO-Norm? (§§ 887, 888 ZPO) Was steht einem Rückgriff in die ZPO entgegen? (§ 172 VwGO könnte eine Sperrwirkung diesbezüglich entfaltet. Hier sollte einfach argumentiert werden.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Berlin im August 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.