Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Berlin vom Februar 2024

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Endpunkte

8,06

Endnote

8,7

Endnote 1. Examen

8,04

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Rückzahlung von an die Behörde gezahlten Geldes nach Rechtskraft des zugrundeliegenden VAs Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch Wirksamkeit / Rechtswidrigkeit eines VA

Paragraphen: §43 VwGO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, lässt Meldungen zu, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer stellte folgenden Fall: K hat aufgrund eines Verwaltungsaktes 1000€ an eine Behörde gezahlt durch Überweisung. Drei Jahre später erklärt das Bundesverfassungsgericht in einem Normkontrollverfahren die Ermächtigungsgrundlage, auf der der VA und die Zahlung beruht, für verfassungswidrig und nichtig. Der Prüfer fragte, was K nun tun kann. Es wurde festgestellt, dass eine Klage nicht zulässig ist, da K die Klagefrist versäumt hat. Es wurde auch kein Vorverfahren durchgeführt. Die Sache war also rechtskräftig. Der Prüfer fragte dann nach Möglichkeiten Zahlungen an Behörden zurückzuerhalten. Hierbei wollte er auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch hinaus. Er half hierbei und fragte, wie das im Zivilrecht zu lösen wäre, wobei er auf das Bereicherungsrecht hinauswollte. Die Frage, wie dieses Institut im Öffentlichen Recht (öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch) genannt wird, gab er an alle frei. Dann fragte er nach den Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Diese sind 1) öffentlich-rechtliche Vermögensverschiebung 2) ohne rechtlichen Grund 3) kein Ausschluss. Die Voraussetzungen sollten dann geprüft werden. Vermögensverschiebung (+) durch Zahlung durch Überweisung. Öffentlich-rechtlich ist eine Vermögensverschiebung, wenn öffentlich-rechtliche Normen zugrunde liegen, hier der VA bzw. die vom BVerfG für nichtig erklärte öffentlich-rechtliche EGL. Dann fragte der Prüfer, wann eine Vermögensverschiebung ohne Rechtsgrund ist. Die Antwort war, wenn der Vermögensverschiebung kein VA zugrunde liegt, etwa wenn der VA nichtig ist. Wir kamen dann auf § 44 VwVfG zu sprechen und prüften die Voraussetzungen. Ein Prüfling prüfte, ob der VA an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und ob dieser Fehler offensichtlich ist, § 44 I VwVfG. Hier wollte der Prüfer Argumente hören. Während man den besonders schwerwiegenden Fehler (aufgrund fehlender EGL) wohl noch bejahen kann, dürfte er nicht offensichtlich sein. Denn der VA hatte zumindest 3 Jahre Bestand bzw. die EGL 3 Jahre angewendet. Im Ergebnis dürften die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nicht vorliegen. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass hieraus kein Anspruch auf Rückzahlung besteht. Zwischendrin wollte der Prüfer noch die Wirkung von nichtigen VA hören – ex tunc. Das heißt, die EGL wird rückwirkend als von Anfang an nichtig erklärt. Sie war also schon im Zeitpunkt des VAs und der Zahlung nichtig. Das war dem Prüfer sehr wichtig. Der Prüfer fragte, ob es noch weitere Möglichkeiten für K gebe. Es wurden §§ 48, 49 VwVfG genannt, wonach auch rechtskräftige Verwaltungsakte aufgehoben werden können. §§ 48 und 49 sollten abgegrenzt werden. Hier kommt nur § 48 in Betracht, da es sich um einen rechtswidrigen VA handelt. Der Prüfer fragte ob die Voraussetzungen des § 48 vorliegen; er fragte, woran es hier letztlich scheitern könnte – am Ermessen. Dann wurde diskutiert, dass nur in Fällen der Ermessensreduzierung auf 0 eine Aufhebung nach § 48 begehrt werden könne, und ob ein solcher Fall bei nichtiger EGL vorliege (wohl nicht). Der Prüfer fragte wieder nach weiteren Möglichkeiten für K sein Geld zurückzubekommen. Ein Prüfling stellte fest, dass § 49a VwVfG auch auf §§ 48, 49 aufbaut, die wir soeben eher abgelehnt hatten. Dann wurde § 51 VwVfG angesprochen, was wohl die richtige Antwort war. Hier war festzustellen anhand des Wortlauts „Kann“, dass im Gegensatz zu § 48 kein Ermessen besteht, sondern die Behörde aufheben muss. Die Voraussetzungen sollten geprüft werden: hat sich nach § 51 I Nr. 1 die dem VA zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert? Hier sollte argumentiert werden, ob eine für nichtig erklärte EGL die Rechtslage nachträglich im Sinne der Norm ändert. Ein Prüfling argumentierte anhand des Wortlauts „Wiederaufgreifen“ dass wohl solche Fälle der späteren Nichtigerklärung durch das BVerfG erfasst sein dürften. Auf Nachfrage vom Prüfer, ob dies wirklich so sei, kam der Prüfling wieder auf den Unterscheid zwischen ex-tunc und ex-nunc zu sprechen. Hier hat sich eben nicht die Rechtslage nachträglich geändert, sondern der VA galt als von Anfang an nichtig. Daher besteht aus § 51 VwVfG auch kein Anspruch auf Rückzahlung. Zwischendurch stellte der Prüfer noch seine beliebte Frage nach subjektiv-öffentlichen-Rechten. Der Prüfer wollte noch wissen, ob ein nichtiger VA von Gerichten aufgehoben werden kann. Grundsätzlich nicht, da er unwirksam ist. Mit der Antwort, dass eher eine Nichtigkeitsfeststellungsklage in Betracht kommt, gab er sich auch zufrieden. Er löste dann auf, dass Gerichte auch deklaratorisch den bereits nichtigen VA aufheben können bzw. dies jedenfalls praktisch tun. Tipp: Solange ihr Verständnis für das Öffentliche Recht habt und diesbezüglich keine groben Fehler macht, kommt ihr gut durch die Prüfung. Mit groben Fehlern meine ich z.B. den Unterscheid zwischen Rechtswidrigkeit und Wirksamkeit eines Verwaltungsakts oder zwischen ex-tunc und ex-nunc zu verkennen. Ansonsten wenn ihr ein Problem nicht wisst oder eine Norm nicht kennt, argumentiert mit den Auslegungsmethoden (Wortlaut, Systematik, Zweck, Historie), das sieht er gern.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Berlin im Februar 2024. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

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