Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Hamburg im März 2016

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in  Hamburg im März 2016. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3
Vorpunkte 9 7.1 7.5
Aktenvortrag 9 12 12
Prüfungsgespräch 9 12 12
Endnote 9 8 8.2
Endnote (1. Examen) 11

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: E-Bay Versteigerung, BGB AT, das Zustandekommen des Vertrages

Paragraphen: §12 ZPO, §13 ZPO, §38 ZPO, §40 ZPO, §323 BGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, Diskussion, hält Reihenfolge ein

Prüfungsgespräch:

Frau Prüferin prüfte nur einen Fall, der an eine BGH – Entscheidung (Urt. v. 23.09.2015, Az. VIII ZR 284/14) angelehnt war. Zu Beginn verteilte sie einen etwa einseitigen Sachverhalt ( DIN-A4 ) und wies zugleich darauf hin, dass nicht alle Angaben aus dem Sachvehalt relevant für die Lösung des Falles seien. Da ihre Prüfung letzter Teil der mündlichen Prüfung war und wir alle (inkl. Prüfer) ziemlich müde waren, las  Frau Prüferin die Passagen aus dem Sachverhalt, die für die Lösung wichtig sein könnten.

In dem Fall ging es um einen Kläger, der wegen abgebrochener Ebay – Auktion vor dem Amtsgericht HH Schadensersatz von dem Beklagten verlangte. Der Beklagte war Verkäufer einer Leuchte, die er bei Ebay inseriert hatte. Noch vor Ablauf der Auktionszeit zog er sein Verkaufsangebot zurück. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte mit 100 Euro der Höchstbietender. Die AGB von Ebay, die in dem Falltext abgedruckt waren, sahen in bestimmten Fällen (in gesetzlichen Fällen und bei wichtigen Gründen) wirksame Rücknahme eines grds. bindenden Verkaufsangebots vor. Der Kläger begehrt nun Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns (also positives Interesse) und führt aus, er hätte die Leuchte für 3000 Euro weiterverkauft. Der Beklagte trägt vor, die Leute sei runter gefallen und zersplittert. Erst in der mdl. Verhandlung also nach Klageerwiderung beruft er sich darauf, dass es sich beim Kläger um einen unseriösen Bieter handele, der in der Vergangenheit bereits 370 Gebote zurückgezogen habe.

Wir sollten zunächst herausarbeiten, warum AG zuständig war. Dabei fragte sie nach der sachlichen und örtlichen Zuständigkeiten (allgemeiner, besonderer und ausschließlicher Gerichtsstand, spezielle streitwertunabhängige sachliche Zuständigkeiten, § 23 Abs. 2 GVG). Daran anknüpfend prüfte sie die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsvereinbarung (sog. Prorogation) und des rügelosen Einlasses § 39 ZPO (bei AG kein Hinweis nach § 504 ZPO erforderlich).

Dann ging es mit dem Fall weiter. Materiell wollte sie zunächst eine AGL erörtert haben. Ein Kandidat hat vertraglichen SE – Anspruch aus § 280 i. V. m. § 433 ff BGB vorgeschlagen. Zu prüfen war in diesem Zusammenhang, ob hier zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis begründet wurde. Wir haben herausgearbeitet, dass beim Einschalten der Verkaufsanzeige ein bindendes Verkaufsangebot abgegeben wurde §§145 ff. BGB. Weiter war eine rechtliche Einordnung des Verkaufsangebots erforderlich. Ein unter aufschiebender Befristung stehendes Angebot (Befristung ist Ablauf der Auktionszeit als ein gewisses künftiges Ereignis). Darüber hinaus könnte man die Anzeige zugleich als ein unter aufschiebender Bedingung stehend ansehen (Bedingung wäre, dass das Angebot vom Verkäufer nicht vor Ablauf der Auktionszeit berechtigt zurückgenommen wird). Frau Prüferin sprach hier vom Vorbehalt der Rücknahme (wie der BGH in seiner Entscheidung). Der Vertrag wäre dann nicht zustande gekommen, wenn der Beklagte das Verkaufsangebot wirksam zurückgenommen hätte.

Noch vor der Erörterung der Wirksamkeit der Rücknahme des Verkaufsangebots prüften wir, ob sich ein SE-Anspruch des Beklagten aus CiC ergeben könnte. (diese lehnten wir ab, da der Verkäufer sonst gegenüber den anderen Bietern, deren Gebote unter dem Höchstgebot geblieben sind, haften würde. Zudem sieht §§ 241 Abs.2, 280 Abs.1, 311 Abs. 2 BGB nur den Ersatz des negativen Interesses vor).

Schließlich prüften wir die Wirksamkeit der Rücknahme des Angebots. Hier war es zu prüfen ob gesetzliche Gründe vorlagen. Erörtert wurden die Anfechtungsvorschriften §§ 119 ff. BGB, und Rücktritt. § 323 BGB wurde ausführlich geprüft, wobei Frau Prüferin auf Abs. 4 hingewiesen hatte. Danach ist ein Rücktritt des Gläubigers bereits vor Fälligkeit möglich, wenn es offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden. Hier war die Argumentation gefragt. Dafür, dass die Rücktrittsvoraussetzungen eintreten würden (Rücktrittsgrund war die Nichtzahlung des Kaufpreises durch den Kläger, der als Käufer zur Vorleistung verpflichtet war) sprach, dass der Beklagte in der letzten Zeit 370 Gebote zurückgezogen hatte. In diesem Zusammenhang fragte Frau Prüferin danach, ob der Vortrag des Beklagten erst in der Hauptverhandlung berücksichtigt werden könne. Erörtert wurde die Prozessförderungspflicht der Parteien gem. § 282 Abs. 1 ZPO, sowie die sich aus § 138 Abs. 1 ZPO ergebende Wahrheitspflicht. Voraussetzungen einer Präklusion nach § 296 ZPO wurden angeprüft aber abgelehnt. Gegen die Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Rücktrittsvoraussetzungen sprach entscheidend, dass der Beklagte erst in der mündlichen Verhandlung und damit nach Abbruch der Auktion von der „Unseriösität“ des Klägers erfahren hat. Nach § 323 Abs. 4 müssen die Umstände, die für den Eintritt von Rücktrittsvoraussetzungen sprechen zum Zeitpunkt des Abbruchs vorliegen und auch dem Zurücktretenden bekannt sein, da diese Norm ein Kausalzusammenhang zwischen dem Rücktritt und den Umständen, die für Eintritt des Rücktrittsgrundes sprechen, voraussetzt.

Insgesamt eine machbare Prüfung

Viel Erfolg 🙂

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