Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Hamburg vom Juli 2022

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

9,0

Gesamtnote 1. Examen

9,35

Gesamtnote 2. Examen

8,68

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Paritätsgesetz – § 92 VwGO

Paragraphen: §38 GG, §92 VwGO, §21 GG, §19 GG, §5 PatG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer hat -trotz der bereits erkennbaren Tendenzen aus den Protokollen für uns überraschend- fast ausschließlich Verfassungsrecht geprüft. Zum Einstieg wollte er von uns wissen, ob jemand von uns wisse, was ein Paritätsgesetz sei und was dieses regeln würde. Niemand von uns kannte ein entsprechendes Gesetz, sodass der Prüfer uns dazu aufforderte, zu raten, was ein solches Gesetz regeln könnte. Eine Kollegin kam im folgenden Prüfungsgespräch darauf, dass ein Paritätsgesetz die die „Gleichheit zwischen den Geschlechtern bei der Wahl“ regeln könnte. Dies war augenscheinlich auch die richtige Antwort. Der Prüfer wollte sodann von uns wissen, wo die Wahlgrundsätze geregelt sind (Art. 38 GG) und ließ die Prüflinge nacheinander alle Wahlgrundsätze ausführlich erklären. So wollte er unter anderem Überhangsmandate erklärt bekommen und wollte wissen, welche Bestrebungen derzeit von der Politik verfolgt werden, um den Bundestag zu verkleinern oder nicht weiter wachsen zu lassen. Er fragte, was ein Beispiel dafür sei, wenn eine Wahl nicht unmittelbar wäre, und wir kamen auf das System der Wahlmänner in den USA zu sprechen. Anschließend fragte er uns, wie ein Paritätsgesetz ausgestaltet werden könnte, um zu gewährleisten, dass Männer und Frauen in gleicher Anzahl in den Bundestag gewählt werden. Die Antwort hierauf war, dass ein Paritätsgesetz vorschreibt, dass die Listenplätze immer abwechselnd mit Männern und Frauen besetzt werden. Eine weitere Frage lautete dann, was der Unterschied zwischen Erst- und Zweitstimme sei und welche der Stimmen von dem Paritätsgesetz betroffen sei.
Im Folgenden kam er auf die Wahlgrundsätze zurück und wollte wissen, im Hinblick auf welchen Grundsatz oder welche Grundsätze das Paritätsgesetz problematisch sein könnte. Wir sollten anschließen prüfen, ob ein solches Gesetz verfassungskonform oder möglicherweise verfassungswidrig sein könnte. Wir kamen hier auf Art 21 GG zu sprechen und insbesondere anschließend auch auf die Zuständigkeit. Kann ein solches Paritätsgesetz als Bundesgesetz in Deutschland erlassen werden? Wie sieht es diesbezüglich mit Art 21 Abs. 5 GG aus? Könnte ein solches Gesetz von den Ländern erlassen werden? Wie ist generell die Gesetzgebungskompetenz hierzu geregelt? Wie sieht es mit Art 19 IV GG aus? Was sagt das ParteienG zu der Aufstellung von Wahllisten? Abschließend wollte der Prüfer noch wissen, was unsere eigene Meinung zu einem solchen Paritätsgesetz sei und ob dieses im Sinne des Demokratieprinzips geeignet sei, die Bevölkerung im Bundestag zu präsentieren. Für die letzten Minuten machte der Prüfer dann doch noch einen Schwenker in das Verwaltungsrecht. Er schilderte einen kurzen Fall. A und B würden vor dem Verwaltungsgericht über eine Grenzfeststellung streiten. B trägt ein Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen vor. A reagiert hierauf nicht. Er schlägt eine Mediation vor, reagiert jedoch weiterhin nicht auf die Aufforderung des Gerichts, sich zu dem Sachverständigengutachten zu äußern. Der Prüfer wollte hier auf § 92 Abs. 2 VwGo hinaus. Anschließend fragte er, wie A gegen einen Einstellungsbeschluss vorgehen könnte und ob es Möglichkeiten gäbe, ein solches Verfahren wieder aufzunehmen. Wir führten auf, dass A ja grundsätzlich weiter auf eine Einigung hingewirkt hat, wenn auch in Bezug auf eine Mediation. Auch hier wollte er schlussendlich wieder auf Verfassungsrecht hinaus, da A nun die Verfassungsbeschwerde offenstehe. Dies ergebe sich aus Art 19 IV GG. Mit diesem Prüfer habt ihr einen fairen Prüfer erwischt, der einem in der Prüfung ein gutes Gefühl gibt, jedoch anscheinend mit Vorliebe nahezu ausschließlich Verfassungsrecht prüft.
Darauf, dass ein solches Paritätsgesetz bereits in mehreren Ländern in Europa (in Belgien, Frankreich, Portugal, Spanien und Slowenien) in unterschiedlicher Form gilt, kamen wir nicht mehr zu sprechen. Ich kann mir jedoch aufgrund der bisherigen Protokolle gut vorstellen, dass der Prüfer, bei entsprechendem Vorwissen der Prüflinge, diesen europarechtlichen Einschlag noch gerne weiter ausgeführt hätte. Selbst der verwaltungsrechtliche Teil hatte am Ende verfassungsrechtliche Einschläge und war auch auf wenige Minuten am Ende der Prüfung begrenzt.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hamburg im Juli 2022. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.