Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Hessen im August 2016

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im August 2016. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 4,68
Aktenvortrag 4
Prüfungsgespräch 9
Endnote 5,61
Endnote (1. Examen) 5,48

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest

Prüfungsthemen: Europäische Fluggastrechteverordnung 261/2004 (EuFlugVO) Zivilprozessrecht, Zuständigkeit nach EuGVVO.

Paragraphen: §253 ZPO, §4 EuGVVO, §63 EuGVVO, §17 EuGVVO, §7 EuGVVO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort Diskussion, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen, hart am Fall

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer teilte einen Fall aus, der in einer seiner vergangenen Prüfungen geprüft wurde. In dem Fall ging es um ein Ehepaar, welches einen Flug (Langstreckenflug) in das Ausland bucht (ich glaube zum Kilimandscharo). Die Fluggesellschaft hat ihren Sitz im Ausland. Sie hat aber auch im Inland eine Geschäftsstelle. Der Flug startet in Frankfurt am Main. Das Flugzeug landet am Zielflughafen mit einer Verspätung von über drei Stunden. Nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung 261/2004 (EuFlugVO) sind Ausgleichszahlungen bei bestimmten Verspätungen zu leisten.
Der Prüfer fragte den ersten Kandidaten, was er als Rechtsanwalt tun würde. Dieser wies darauf hin, dass der Anspruch nach der EuFlugVO ein verschuldensunabhängiger Anspruch sei. Er wies auch auf die Problematik des Auslandsbezuges hin. Schließlich schlug er vor Klage zu erheben. Hinsichtlich einer Klageerhebung fragte der Prüfer, was eine Klage enthalten muss und ob das irgendwo festgelegt ist. In § 253 ZPO ist geregelt was eine Klage enthalten muss (Angabe der Parteien und des Gerichts, bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie ein bestimmter Antrag). Es wurde auch auf § 253 II ZPO eingegangen.
Dann fragte der Prüfer, was der Richter tun würde, wenn die Klage bei ihm auf dem Schreibtisch angekommen ist. Ein Kandidat äußerte, der Richter könne ein schriftliches Vorverfahren oder einen frühen ersten Termin anordnen. Gefragt wurde auch nach der Einlassungsfrist und der Klageerwiderungsfrist, und danach wo diese geregelt sind.
Der Prüfer fragte dann, wer die Klage erheben kann. Der Kandidat antwortete, dass die Klage derjenige erheben könne, dem der Anspruch zusteht. Hier war die Prüfung dann etwas zäh. Der Prüfer wollte darauf hinaus, dass die Ehefrau ihren Anspruch an ihren Ehemann abtreten könne, wodurch sie dann nicht mehr Partei wäre. Prozesstaktisch und prozessrechtlich hätte dies den Vorteil der Vernehmung der Ehefrau als Zeugin.
Des Weiteren wurde danach gefragt, wo die Klage zu erheben ist. Wir prüften in diesem Zusammenhang u. a. § 21 ZPO. Problematisch war, ob die Geschäftsstelle eine Niederlassung i. S. v. 21 ZPO darstellt. Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. § 29 ZPO passte nicht, da der Erfüllungsort hier der Ort des Zielflughafens ist. Ein Kandidat schlug vor den Gerichtsstand nach der EuGVVO zu ermitteln. Nach Art. 4 I EuGVVO i. V. m. Art. 63 I a) EuGVVO wäre die Fluggesellschaft grundsätzlich am Ort ihres satzungsmäßigen Sitzes zu verklagen. Hier war aber zu berücksichtigen, dass eine Verbrauchersache i. S. v. Art. 17 I c) EuGVVO vorlag. Man konnte daher an Art. 18 I EuGVVO denken, wonach der Verbraucher die Klage vor dem Gericht des Ortes seines Wohnsitzes erheben kann. Jedoch bestimmt Art. 17 III EuGVVO, dass der 4. Abschnitt und somit auch Art. 18 EuGVVO nicht auf Beförderungsverträge anzuwenden ist. Es lag auch keine Ausnahme eines Reisevertrages mit kombinierter Beförderungs- und Unterbringungsleistung i. S. v. Art. 17 III EuGVVO vor.
Wir kamen dann zu Art. 5 I EuGVVO, der u. a. auf Art. 7 EuGVVO verweist. Nach Art. 7 Nr. 1 a) und b) EuGVVO kann eine Person (bei juristischen Personen i. V. m. Art. 63 EuGVVO) in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, und zwar am Erfüllungsort ihrer der Verpflichtung. Hier kamen wir wieder zu der Frage, wo der Erfüllungsort der Flugleistung liegt. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass § 29 ZPO vor dem Hintergrund von Art. 7 EuGVVO europarechtskonform und verbraucherfreundlich dahin auszulegen ist, dass als Erfüllungsort auch der Ort des Abfluges gilt.
Somit konnte die Klage in Frankfurt am Main erhoben werden.
Zum Schluss wurde der Fall dahingehend erweitert, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht erschien. Es wurden die Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils diskutiert (§ 331 ZPO).

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