Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Hessen vom Mai 2023

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1 2 3 4

Note staatl. Teil 1. Examen

Gesamtnote 1. Examen

7,02 9,9 8,5 11,5

Gesamtnote 2. Examen

8,5

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Grundstückskaufvertrag / Maklervertrag

Paragraphen: §311b BGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer teilte zu Beginn einen langen Fall aus und erläuterte ihn zusätzlich. Der Sachverhalt war in etwa wie folgt:
Ein Käufer K erwarb vom Ehepaar V ein Hausgrundstück, das sich in Hanglage befand. Die Eheleute V lebten in Scheidung. Der Ehemann V lebte unauffindbar im Ausland. Am oberen Ende des Grundstücks befand sich eine mit Efeu und Pflanzen verdeckte Stützmauer im Übergang zum nächsten, höhergelegenen Grundstück. Im Verkaufsgespräch wurde der Ehemann V durch den Makler M vertreten. Der Makler M legte hierzu eine schriftliche Vollmacht vor. Der Kaufvertrag sah u.a. (1) einen umfassenden Gewährleistungsausschluss vor und (2) unterwarf sich der Käufer der sofortigen Zwangsvollstreckung wegen der Maklerprovision i. H. v. 20.000€. Nach Eintragung kam es zu einem heftigen Unwetter. Der Hang rutschte teilweise ab und die Stützmauer stürzte teilweise ein. Die Mauer wies bereits vor dem Verkauf eine erhebliche Schieflage auf und war nun akut einsturzgefährdet. Ehefrau V erklärte, dass die Mauer durch den Ehemann V in Eigenregie errichtet worden sei, dies aber zu einem Zeitpunkt, als die Eheleute noch nicht zusammenlebten und sie entsprechend keine Kenntnis vom Zustand der Mauer habe. Der Makler M bestritt die Kenntnis von der Schieflage. Ein weiteres Abrutschen der Mauer sei möglich. K kommt nun zum Prüfling in die Kanzlei und möchte wissen, mit welchen Erfolgsaussichten er gegen wen vorgehen könne. Außerdem möchte M wegen der Provision seinen Anspruch durchsetzen. Damit eröffnete der Prüfer das Prüfungsgespräch. Der Prüfer fragte zunächst, was man als Anwalt prüfte. Der erste Prüfling ging zunächst auf den Anspruch auf Maklerlohn ein. Der Prüfer wollte aber wohl direkt auf eine Zwangsvollstreckung aus der Unterwerfungserklärung des K hinaus. Nachdem dies geklärt war, wurden u.a. folgende Fragen geprüft:
-Was benötigt M zur Zwangsvollstreckung? (Titel, Klausel, Zustellung – thematisiert wurden Titel, § 794 I Nr. 5 ZPO und Klausel)
-Wer erteilt die Klausel vorliegend? (§ 797 II ZPO – Notar)
-Was schaut sich der Notar an, bevor er die Klausel erteilt?
-Folgen Probleme daraus, dass Ehemann V selbst bei der notariellen Beurkundung nicht vor Ort war (Durchschlagen des Formerfordernisses aus § 311b I BGB auf die grundsätzlich. formfreie Vollmacht)?
-Wirkt eine Heilung durch Eintragung gem. § 311b I 2 BGB auch für eine – hypothetisch – unwirksame Vertretung?
-Rechtsfolge einer – hypothetisch – unwirksamen Vertretung? – Schwebende Unwirksamkeit.
Danach beendet der Prüfer die Prüfung etwaiger Ansprüche des M gegen K und fuhr mit Ansprüchen des K gegen Ehefrau/Ehemann V fort. Dabei sollte die Wirksamkeit des Kaufvertrags unterstellt werden. Insoweit wurde ein Anspruch auf Nacherfüllung thematisiert. Hier ging es um die folgenden Themenkomplexe, die der Prüfer zielstrebig ansprach:
-Wirksamkeit des Gewährleistungsausschlusses? (grundsätzlich gem. § 444 BGB möglich; Ausschluss wegen Kenntnis der Verkäufer dürfte nicht beweisbar sein; handelt es sich um AGB i. S. d. § 305 I BGB und damit möglicherweise Unwirksamkeit – P: Liegen AGB vor, wenn die Parteien ein vom Notar vorgeschlagenes Vertragsformular verwenden?)
-Praktischer Nachweis eines etwaigen Kennenmüssens der Verkäufer: gerichtliches Sachverständigengutachten. Da noch kein Prozess anhängig ist, könnte ein solches im selbstständigen Beweisverfahren eingeholt werden. An dieser Stelle wurden noch ganz grob die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines solchen angeprüft (insb. Gerichtliche Zuständigkeit).
Dann war die Prüfung beendet. Die Fragenliste ist das Ergebnis der Prüfung. Die Fragen wurden aus Sicht der Prüflinge nicht derart stringent und klargestellt, wie sie oben formuliert sind. Der Prüfer fragte offen. Gedankenansätze, die eher abwegig waren, diskutierte er mit dem Kandidaten konstruktiv. Er gab jedem Kandidaten Zeit zum Nachdenken und zur Argumentation.
Die Prüfung verlief insgesamt – subjektiv – nicht ganz so flüssig wie die übrigen Prüfungsgespräche an diesem Tag. Die Notenvergabe erschien leistungsangemessen.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im Mai 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.