Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Niedersachsen vom März 2023

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1 2 3 4

Note staatl. Teil 1. Examen

9 9 8 7

Gesamtnote 1. Examen

9 9 8 7

Gesamtnote 2. Examen

10 9 8 7

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: Befangenheit Richter, „beim Betrieb“ iSd § 7 StVG

Paragraphen: §522 ZPO, §41 ZPO, §42 ZPO, §7 StVG, §1 UWG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort-Diskussion, hält Reihenfolge ein, verfolgt Zwischenthemen, lässt sich ablenken

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer mündlich folgenden Fall: Ein E-Scooter wird zur Reparatur in eine Werkstatt verbracht. Dort wird die Batterie entfernt, weil eine Fehlfunktion vorliegt. Ein Mitarbeiter schließt nun die Batterie an ein Ladegerät an und bemerkt, dass sofort eine starke Erhitzung einsetzt. Er zieht das Kabel heraus und legt die Batterie auf den Werkstattboden, doch die Batterie erhitzt sich weiter und entfacht einen Brand, der das Gebäude beschädigt. Der Gebäudeversicherer entschädigt den Gebäudeeigentümer und fragt sich nun, ob der Kunde (der Halter) des E-Scooters haftet. Was wäre eine Anspruchsgrundlage? Wir nannten den § 7 StVG – hier war insbesondere problematisch, ob noch „bei Betrieb“ trotz der Entfernung des Akkus vorliegt. Mehrere Fragerunden zur Auslegung (Schutzzweck der Norm, weite Auslegung usw.). Vorliegend evtl. Zäsur durch vollständige Abtrennung/Herausnahme der Batterie (Betriebseinrichtung) vom Roller (KFZ), so dass kein Betrieb vorlag. Öfters wurde der Bezug zu den Antworten der Mitprüflinge hergestellt (Was halten Sie von der Antwort Ihrer Nachbarin? Würden Sie etwas ergänzen? Gibt es Argumente, die diese Antwort untermauern oder in Frage stellen?) und es kam zu mehren Runden von Frage und Antwort bzw. Diskussion mit ihm. Er scheint dabei auch die Prüflinge einzugehen, also die Fragen und Sachverhalte entsprechend anzupassen. Danach stellte er einen sich ständig fortentwickelnden Fall, der den Instanzenzug (Berufung, Beschwerde usw.) abprüfte und u.a. die Differenzierung zwischen § 522 Abs. 1 gegenüber Abs. 2 ZPO hervorhob (verwerfen oder zurückweisen). Teilweise hatten wir das Gefühl, dass er selber durch die verschiedenen Fortentwicklungen etwas verwirrt war, da wir z.B. „verwerfen“ hörten, er dann aber über § 522 Abs. 2 ZPO weitermachen wollte (also zurückweisen). Eingebaut war irgendwann auch die Problematik der „Einstimmigkeit“ im Sinne des § 522 Abs. 2 und die Gefahr der Befangenheit gem. §§ 41, 42 ZPO, sofern der iudex a quem beispielsweise der Ehemann einer der Richterin ist, die notwendigerweise (Stichwort Einstimmigkeit im 522 Abs. 2 ZPO) eine Zurückweisung als iudex a quo getragen hat. Gut war dabei zu erwähnen der „böse Schein der Befangenheit“ und die mögliche faktische Erweiterung des § 41 ZPO durch Subsumierung unter § 42 ZPO, die die gesetzgeberische Wertung aufweicht. Diese Thematik ist eine aktuelle Entscheidung, so dass es sich lohnt, aktuelle ZPO und Zivilrechts-Entscheidungen zu verfolgen. Abschließend riss er abschließend einen weiteren Fall kurz mit einem Joghurt an, der nicht (wie auf der Packung ausdrücklich beworben) einen gewissen Anteil eines speziellen Wurzelextraktes enthält. Wer ist hier klagebefugt? Die Verbraucher? Oder spezielle Verbraucherschutzverbände, denen ein Klagerecht/Befugnis über das UWG eingeräumt wird. Dabei wollte er im Bezug auf das UWG zum Glück keine konkreten Normen hören. Wie ist der Streitwert in so einem Fall zu bemessen (dabei schlossen sich Fragen zum Instanzenzug an)? Wären 15.000 Euro in Ordnung, oder ist auf den jeweiligen Einzelpreis eines Joghurts abstellen? Oder das Interesse des Herstellers, die Angabe als Werbemittel auf seinen Joghurts zu nutzen? Oder das Interesse der „Allgemeinheit“, zutreffende Angaben zu erhalten und nicht „getäuscht“ zu werden? Wohl Letzteres, so schätze ich jedenfalls seine Reaktion ein.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen im März 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.