Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – NRW im April 2016

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im April 2016. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5
Vorpunkte 51 46 31 30,5 32,2
Aktenvortrag 11 10 5 4 4
Prüfungsgespräch 13 12 8 8 8
Endnote 10,1 9,2 6 5,85 6,02
Endnote (1. Examen) 9,55

Zur Sache:

Prüfungsstoff:

Prüfungsthemen: Vertragsschluss, Vertretungsmacht, Prokura, Zulässigkeitsprobleme

Paragraphen: §164 BGB, §48 HGB, §320 BGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort Diskussion, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen, Fragestellung klar


Prüfungsgespräch:

B ist der alleiniger Geschäftsführer der Mandantin B-GmbH, einem Formel-1-Rennstall.

Ende des letzten Jahres hat B mit D, der bei der Henkel KGaA angestellt und dort Leiter des Konzernbereichs Sponsoring ist und über eine Einzelprokura verfügt, einen Sponsoring-Vertrag abgeschlossen. Bei der Vertragsunterzeichnung im Gebäude der Henkel KGaA waren nur B und D anwesend. Es sollten auf den Formel-1-Wagen und Veröffentlichungen der B-GmbH Logos usw. dargestellt werden. Das Volumen beträgt EUR 90 Mio./Jahr, wobei dies in 3 Tranchen à EUR 30 Mio. geleistet werden soll.

Im November 2015 hat die Henkel KGaA jedoch intern entschieden, dass man Formel-1-Rennställe nicht mehr sponsern werde, was der D auch gewusst habe. Zudem seien nach internen Richtlinien Verträge über EUR 50 Mio. Angelegenheiten des Vorstandes.

Hat die B-GmbH einen Anspruch auf Zahlungen gegen die Henkel KGaA?

Hier sollte man sauber die Voraussetzungen prüfen.

Vertragsschluss? Wie kommt ein Vertrag zustande?

Wie ist ein Sponsoring Vertrag rechtlich einzuordnen (Rechtsnatur)?

AGL? Hier § 311 Abs. 1 BGB.

Haben B und D jeweils mit Vertretungsmacht gehandelt? Voraussetzung der Stellvertretung nach § 164 Abs. 1 BGB, inkl. Verweis auf § 35 GmbHG.

Bei der Henkel KGaA (Kommanditgesellschaft auf Aktien, s. § 278 AktG) musste die Anwendbarkeit der Prokura-Vorschriften (§§ 48 ff HGB) untersucht werden (à §§ 278 Abs. 3, 3 AktG, § 6 HGB)

Bei der Prokura fragte er noch, was der Prokurist alles dürfe. So ziemlich alles, außer Grundstücksgeschäfte (s. § 49 HGB) und sog. Grundlagengeschäfte.

Im Ergebnis war die Henkel KGaA gebunden.

Zu den einzelnen Punkten stellte er jeweils noch Nachfragen. Bspw. zu § 164 Abs. 1 BGB: Muss immer offen gelegt werden, dass man in fremden Namen handelt? Was ist eine KGaA?

Abwandlung:

Hier war D nicht bei der Henkel KGaA mit Sitz in Düsseldorf, sondern bei dem Tochterunternehmen Henkel T-GmbH mit Sitz in Heidelberg angestellt, war dort aber weder Geschäftsführer noch Prokurist. Der Vertrag wurde in den Räumen der Henkel KGaA in Düsseldorf abgeschlossen. In dem Vertrag war nach wie vor die Henkel KGaA genannt. B wusste nicht, dass D bei der Tochter angestellt ist.

Hier war zu untersuchen, ob nun die Henkel-Konzernmutter oder die Tochter Vertragspartner geworden ist.

Vertragsschluss?

Vertretungsmacht? Hier noch mal § 164 BGB auf beiden Seiten. Eigentlich (-), da D nicht für die Mutter handeln konnte.

Duldungsvollmacht? Anscheinsvollmacht? Voraussetzungen?

Welche Pflichten hat ggf. B als GF seiner GmbH in Bezug auf die Überprüfung der Vertretungsmacht seines Gegenübers?

Anschließend ging es um weitere Voraussetzungen der materiell-rechtlichen Prüfung:

Anspruch entstanden?

Anspruch untergegangen? Anspruch durchsetzbar?

Hier legte der Prüfer Wert darauf, dass die einzelnen Voraussetzungen bzw. Einwendungen und Einreden den o. g. Prüfungspunkten richtig zugeordnet wurden. Insbesondere wurde die Fälligkeit diskutiert.

Hier bestand, sofern die B-GmbH noch nicht geleistet haben sollte, für die Henkel KGaA die Einrede des nicht erfüllten Vertrages.

Der Prüfer fragte nach dem Antrag, den man als Anwalt stellen sollte, wenn die Mandantin (BGmbH) ihrerseits noch nicht geleistet habe (à Zug-um-Zug).

Er fragte zudem nach dem Zweck / Vorteil eines solchen Antrages (Kein Teilunterliegen, Vorteil für Zwangsvollstreckung, §§ 756, 765 ZPO).

Der Fall ging dann wie folgt weiter:

Angenommen, weder die Henkel-Mutter noch -Tochter seien Vertragspartner geworden, besteht ein Anspruch gegen D? Ja, § 179 BGB.

D ist nun auf die kanarischen Inseln gezogen und hat keinen Wohnsitz mehr in Deutschland. Die genaue Adresse auf den Kanaren ist unbekannt und nicht ermittelbar.

Hier ging es nun um örtliche Zuständigkeiten bei einer Klage (EU-VOen oder andere internationale Übereinkünfte wurden nicht thematisiert). Hier kam § 29 Abs. 1 ZPO in Betracht.

Die Klage kann aber nicht zugestellt werden. Die öffentliche Zustellung nach § 185 ZPO ist die Lösung, ist aber auch langwierig.

Insgesamt war die Prüfung bei ihm der angenehmste Teil des Tages.

Er sagte (v. a. zur KGaA), dass er nicht erwarte, dass man die genauen Normen kenne, freute sich aber, wenn man sie nennen konnte.

Er legt Wert – vor allem im Aktenvortrag – auf präzise Obersätze und Argumentation.

Bei der Notenverkündung teilt er ziemlich genau mit, weshalb man die 18 Punkte in jedem Prüfungsteil erreicht habe, wodurch sich die Notenverkündigung in die Länge zog.

Viel Erfolg!

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