Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – NRW im Oktober 2016

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im Oktober 2016. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5 6
Vorpunkte 43 45 60 40 30 35
Aktenvortrag 12 14 15 9 5 6
Prüfungsgespräch 10 13 14 8 3 8
Endnote 8,55 9,7 12,4 7,2 4 7
Endnote (1. Examen) 7,87

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Antrag nach § 80 V VwGO, Gefahrenabwehrrecht

Paragraphen: §80 VwGO, §35 LVwVfG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen

Prüfungsgespräch:

Zu Beginn schilderte der Prüfer folgenden kurzen Fall:

Die kreisfreie Stadt X in NRW richtet schon seit Jahren eine große, überregionale Kirmes aus, zu der regelmäßig mehr als eine Million Besucher kommen. Im Vorfeld der diesjährigen Kirmes gab es Berichte darüber, dass zwischen zwei verfeindeten Motorradclubs, die Red Devils und die Yellow B`s, bereits mehrfach aggressive Auseinandersetzungen stattgefunden haben, in deren Rahmen es unter anderem auch zu Körperverletzungen gekommen ist. Bei diesen Auseinandersetzungen, die immer von den Red Devils ausgingen, trugen die Mitglieder beider Clubs jeweils ihre Kutten.

Der Ordnungsbehörde liegen Erkenntnisse vor, wonach beabsichtigt ist, in den Kutten auf der Kirmes zu erscheinen und ggfs. eine weitere Auseinandersetzung zu provozieren.

Am 16.07.2016, zwei Tage vor Kirmesbeginn, erlässt die Ordnungsbehörde daher eine Ordnungsverfügung, die ordnungsgemäß im Amtsblatt der Stadt X veröffentlicht wird. Inhalt der OV ist ein Verbot, im Bereich und auf der Kirmes Kutten der Red Devils zu tragen. Zur Begründung wird auf die von den Red Devils ausgegangenen Auseinandersetzungen in der Vergangenheit verwiesen. Es wird die sofortige Vollziehung angeordnet und damit begründet, dass wegen des baldigen Kirmesbeginns ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zweck der OV nicht mehr erreicht werden könne.

A ist stolzes Mitglied der Red Devils und sucht nun Eilrechtsschutz vor dem zuständigen Verwaltungsgericht.

Der erste Kandidat begann mit der Zulässigkeit des Eilantrag und dort mit der statthaften Antragsart. Der Prüfer fragte kurz nach, was ggfs. noch davor zu prüfen sei, wollte aber nur kurz hören, dass man hier zunächst die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs prüfen könne, dies aber unproblematisch gegeben sei.

Im Rahmen der statthaften Antragsart wollte der Prüfer dann sehr genau abgegrenzt haben, wann ein Antrag nach § 80 V VwGO statthaft sei. Die Antwort „in der Regel, wenn in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft ist“ ließ er zwar als Grundlage gelten, fragte dann aber nach Konstellationen, in denen in der Hauptsache keine Anfechtungsklage statthaft ist, aber trotzdem nach § 80 V VwGO vorgegangen werden müsste. Dies ist ausnahmsweise im Rahmen des Ausländerrechts (§ 84 AufenthG) der Fall. Dann ging es weiter mit der Frage, ob hier ein VA vorliege.

Hier sollte genau abgegrenzt werden, was der Unterschied zwischen einem „normalen“ VA und einer Allgemeinverfügung ist und wie man letztere von einer ordnungsbehördlichen Verordnung (§ 25 OBG) abgrenzt. Es kam dem Prüfer auf die genauen Bezeichnungen der jeweiligen Regelungsart (konkret-individuell, konkret-generell. abstrakt-generell) an.

Im Rahmen der Antragsbefugnis (gegeben durch mögliche Verletzung von Art. 2 I GG) kam ein kurzer „Ausflug“ ins Grundgesetz, der Prüfer wollte wissen, welche Grundrechte sich noch aus Art. 2 GG ergeben und als jemand „Freiheit der Person“ aufzählte, kam die Frage, welche Artikel dies noch unterstützen. Wir sind dann kurz auf Art. 102 ff. GG eingegangen und darauf, welche Verfahrensgrundsätze sich hieraus ergeben.

Nachdem wir dann zurück zum Fall kamen und ein Rechtsschutzinteresse bejaht hatten, weil eine Anfechtungsklage noch fristgerecht möglich ist und ein vorheriger Antrag an die Behörde nach § 80 VI VwGO nicht gestellt werden muss.

In der Begründetheit gingen wir kurz auf die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung und auf § 80 III VwGO ein, bevor der Prüfer relativ genau wissen wollte, was das Gericht denn bei einem Antrag nach § 80 V VwGO prüft (Interessenabwägung zwischen Vollzugsund Aussetzungsinteresse).

Dann kam die „normale“ Prüfung der Rechtmäßigkeit der OV, insbesondere Entbehrlichkeit einer Anhörung, Bekanntgabe der Allgemeinverfügung durch öffentliche Bekanntmachung und materiell natürlich § 14 OBG als Ermächtigungsgrundlage. Hier war es wichtig, die Begriffe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ordentlich zu definieren und hierunter zu subsumieren sowie klarzustellen, dass im Gefahrenabwehrrecht immer eine in die Zukunft gerichtete Prognose vorgenommen werden muss und hierfür die Ereignisse in der Vergangenheit als Indiz herangezogen werden. Eine Gefahr war hier relativ einfach zu bejahen. Es wurde dann noch erörtert, dass es sich um eine konkrete Gefahr handeln müsse und auf die Frage, wo dies denn rechtshistorisch herkomme, kam ein Kandidat auf die Antwort, die der Prüfer hören wollte, nämlich das Preußische Allgemeine Landrecht und das Kreuzberg-Urteil des Preußischen OVG.

Zum Schluss kam dann noch die Frage, ob der Antragssteller hier auch Störer sei, woraufhin der Prüfer dann allgemein wissen wollte, wonach sich bemisst, wer Handlungsstörer ist. Hier war ihm der Begriff der Theorie der unmittelbaren Verursachung wichtig.

Dann gingen wir noch ganz kurz auf das Ermessen ein, kamen aber zu dem Schluss, dass hier wohl kein Ermessensfehler ersichtlich und insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sei.

Damit war die Prüfung dann beendet. Wie schon oben gesagt, der Prüfer versucht immer, einem auf die Sprünge zu helfen, wenn man nicht auf Anhieb eine ganz genaue und richtige Antwort gibt, also keine Angst.

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