Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – NRW im Oktober 2017

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im Oktober 2017. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5
Vorpunkte 50 33 30 24 67
Aktenvortrag 13 6 8 8 16
Prüfungsgespräch 14 11 9 12 14
Endnote 10,52 7,2 6,5 6,8 12,5
Endnote (1. Examen) 9,18

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Abschleppfall

Paragraphen: §77 VwVG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, Intensivbefragung Einzelner verfolgt, Zwischenthemen lässt sich ablenken

Prüfungsgespräch:

Der A ist Halter eines PKW und parkt seinen PKW in Düsseldorf ordnungsgemäß. Dann begibt er sich auf eine zweiwöchige Reise. Ein Umzugsunternehmen stellt zwei Tage später mobile Halteverbotsschilder auf. Zwei Tage nach Ausstellung lässt die Stadt Düsseldorf den PKW abschleppen, da er den privaten Umzug behinderte. Der A kehrt aus seinem Urlaub zurück und muss den PKW gegen Zahlung von 150 Euro bei dem Abschleppunternehmen U auslösen. Erst nach Zahlung bekommt er seinen PKW heraus. A kommt zu Ihnen als Rechtsanwalt und bittet um Rat wie er die 150 Euro zurückbekommen könne.
Nur wurde zunächst herausgearbeitet gegen wen vorgegangen werden könnte. Dabei wurde festgestellt, dass U nur als Verwaltungshelfer der Stadt tätig geworden ist. Der Prüfer wollte sodann nur ein Vorgehen gegen die Stadt Düsseldorf thematisieren. Es wurden das gerichtliche Verfahren und das Widerspruchsverfahren vorgeschlagen. Widerspruchsverfahren aber (-), da kein Verwaltungsakt vorliegt, § 68 Abs. 1 VwGO nur bei Anfechtungsklage bzw. Verpflichtungsklage.
Dann wurde der Verwaltungsrechtsweg thematisiert. Schließlich sollte die statthafte Klageart festgestellt werden: hier allgemeine Leistungsklage. Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO: Öffentlich Rechtlicher Erstattungsanspruch (Herleitung aus § 812 BGB analog/ gewohnheitsrechtlich anerkannt) oder § 21 GebG. Richtige Beklagte nach dem allgemeinem Rechtsträgerprinzip die Stadt Düsseldorf. Rechtschutzbedürfnis auch (+), insbesondere hat der A wohl zuvor die Stadt zur Zahlung aufgefordert.
Erweiterung: Die Stadt erlässt zusätzlich einen Gebührenbescheid gegen den A in Höhe von 60 Euro. Auch dagegen möchte der A vorgehen.
Welches Begehren des A sollte der Rechtsanwalt vorrangig betreiben? Das Vorgehen gegen den Gebührenbescheid, denn es handelt sich um einen Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 VwVfG) und mit Ablauf der Klagefrist ( § 74 VwGO) droht der Eintritt der Bestandskraft. Welche Möglichkeiten gibt es dagegen vorzugehen? Klage und Widerspruch. Widerspruch ist aber nach § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO iVm § 110 JustG NRW unstatthaft. Also Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 1. Var. VwGO!
Können beide Begehren verbunden werden? Ja, über die objektive Klagehäufung nach § 44 VwGO.
Was ist wenn es keine entsprechende Norm in der VwGO gibt? Dann über § 173 VwGO in die ZPO. Klagebefugnis nach § 42 Abs. VwGO (+), nach der Adressatentheorie. Nachfrage: Worin ist der Adressat verletzt? Art. 2 Abs. 1 GG.

Begründetheit:
Zuerst hinsichtlich der Anfechtungsklage, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Was ist die Ermächtigungsgrundlage für den Gebührenbescheid? § 77 Abs. 1 S. 1 VwVG i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 VOVwVG.
Formelle Rechtmäßigkeit des Gebührenbescheids? Zuständigkeit: Vollzugsbehörde = Erlassbehörde
Abgrenzung Sicherstellung, Ersatzvornahme und unmittelbarer Zwang. Welche EGL käme in Betracht wenn die Polizei gehandelt hätte? Ebenfalls § 77 VwVG über die Verweisungsnormen des PolG NRW in den §§ 46 und 52. Was wäre anders, wenn die Polizei gehandelt hätte? Der richtige Beklagte wäre das Land NRW (da es Rechtsträger der Polizei nach § 1 POG NRW ist).
Welche Möglichkeiten der Vollstreckung gibt es? Sofortvollzug und gestrecktes Verfahren (§ 55 VwVG NRW).
Worauf könnte ein fiktiver Grundverwaltungsakt gestützt werden? § 14 OBG NRW Welche Gefahr müsste dann vorliegen? Konkrete gegenwärtige Gefahr, dies ergibt sich aus § 14 OBG i.V.m § 55 Abs. 2 VwVG NRW.
Worin könnte sonst noch ein Verwaltungsakt zu sehen sein? In dem Halteverbotsschild als
Allgemeinverfügung. Wirksamkeit durch Bekanntgabe, hier sind die Normen der StVO vorrangig vor § 41 VwVfG. Wann ist das der Fall? Wenn es eine Wegfahrgebot enthält. Ist das hier der Fall? Ja! Läge dann auch eine gegenwärtige Gefahr vor? Ja, da Störung bereits eingetreten.
Über welche Normen könnte eine Sicherstellung anzunehmen sein? § 24 Nr. 13 OBG i.V.m. § 43 PolG NRW Bedarf es dann ebenfalls einer gegenwärtigen Gefahr? Ja, vgl. § 43 Nr. 1 PolG.
Welche Konsequenz ergibt sich daraus? Es kann dahinstehen, worauf das Abschleppen gestützt wird, wenn dieselben Voraussetzungen vorliegen.
Dann war die zeitweise etwas unstrukturierte Prüfung auch schon vorbei.
Viel Erfolg euch!!