Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – NRW vom Januar 2021

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im Januar 2021. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5
Vorpunkte 7 5 4 4 11
Aktenvortrag 7 4 5 7 11
Prüfungsgespräch 13 4 6 6 14
Endnote 9 6 5 6 12
Endnote (1. Examen) 1

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Paragraphen: §811 ZPO, §94 BGB, §95 BGB

Prüfungsgespräch: verfolgt Zwischenthemen

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer begann wie immer mit einem Fall, der viele Details enthielt, von denen letztendlich wenige relevant wurden:
Sie sind Rechtsanwalt. Zu Ihnen kommt Mandant M und schildert folgendes: Im Frühjahr 2020 sei seine Mutter verstorben. Er sei Alleinerbe. Er habe den Steinmetz G mit der Anfertigung eines Grabsteins und Aufstellung beauftragt und eine Rechnung über 1.200 € erhalten. Mit diesem Betrag sei er nicht einverstanden gewesen, da der Grabstein Mängel gehabt habe. Im Rahmen eines Gerichtsverfahrens sei M vom Amtsgericht zur Zahlung verurteilt worden. M sei nicht in der Lage gewesen, zu zahlen. Er habe G aber versichert, er werde der Forderung nachkommen. Als M aus dem Urlaub zurückkehrt muss er feststellen: Der Grabstein wurde gepfändet.
In welchem Verfahrensstadium befinden wir uns? (Vollstreckungsverfahren da das AG Urteil ein Titel ist und wie wir aus der erfolgten Vollstreckung entnehmen können, wohl auch eine Klausel erteilt worden war) Welche gibt es noch? (Erkenntnisverfahren, Klausel Verfahren)
Was tun Sie? Hier sollten direkt die Voraussetzungen der ZV durchgeprüft werden. Es wurde das Prüfschema (Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen, Allgemeine und besondere Vollstreckungsvoraussetzungen, Vollstreckungshindernisse, Besondere Voraussetzungen der ZV Art jeweils mit den Unterpunkten) abgefragt und hierin allgemeine ZVR Fragen erläutert (Welche ZV Organe gibt es, wofür ist der GV zuständig (Vollstreckung in bewegliche Sachen wegen Geldforderung und Herausgabevollstreckung), wofür das Vollstreckungsgericht (Vollstreckung wegen Geldforderungen in Forderungen und Liegenschaften), wofür das Prozessgericht (Erzwingung von Handlungen), das Grundbuchamt etc.). Schließlich kamen wir zum § 811 Nr. 13 ZPO und der Frage, ob der Grabstein ein zur unmittelbaren Verwendung für die Bestattung bestimmter Gegenstand ist. Es wurden Argumente gesammelt (Wortlaut „unmittelbar“, Grabstein zwar Pietätsgefühl, aber anders als Leichentuch, Sarg etc. nicht zwingend erforderlich, etc. Wobei man das als Anwalt auch anders sehen kann.) Also Pfändung bzgl. § 811 Nr. 13 ZPO wohl o.k.
Was können wir noch tun? Anknüpfend an die eingangs erläuterter Zuständigkeiten führten wir an, dass der GV nicht zuständig gewesen wäre, sofern der Grabstein wesentlicher Bestandteil des Grundstücks i. S. d. § 94 I BGB wäre. Dann würde es sich nämlich um eine Immobiliarvollstreckung handeln, für welche vielmehr das Vollstreckungsgericht zuständig wäre. Ob der Grabstein i. S. d. § 94 BGB mit dem Grundstück fest verbunden ist oder nur lose draufsteht, wissen weder wir noch der Mandant. Wir kamen daher auf § 95 I BGB und den nur vorübergehenden Zweck: So konnten wir die Frage des wesentlichen Bestandteils auch ohne Kenntnis der Festigkeit der Verbindung (§ 94 BGB) beantworten. Ist also der Grabstein jedenfalls nur zum vorübergehenden Zweck verbunden? Die Grabstelle wird auf eine bestimmte Zeit gemietet, oft 30 Jahre. Wie lange ist „vorübergehend“? Welche Zeitspane würden wir ansetzen? Wir argumentierten, dass es wohl nicht abgrenzungsscharf ist, auf eine bestimmte Zeitspanne abzustellen. Zweckmäßiger ist es, darauf abzustellen, ob von vornherein klar ist, dass die Sache wieder entfernt werden wird. Das ist bei einem Grabstein auf einer auf Zeit gemieteten Grabstelle wohl zu bejahen.
Abschließend die Frage nach dem statthaften Rechtsbehelf, falls wir als Anwalt doch Erfolg sehen würden: Erinnerung, § 766 ZPO. Das war es auch schon.
Hinsichtlich der Bewertung hoffe ich für euch, dass es sich bei mir um einen bedauerlichen Einzelfall handelt. Den Vortrag habe ich komplett in den Sand gesetzt, dachte dann zwar, ich hätte dies durch entsprechende Leistungen im Gespräch ausgeglichen. Nach unseren Eindrücken im Verlauf des Tages haben wir alle unseren Teil zur Falllösung beigetragen, diese gemeinsam entwickelt, und haben alle mal den zündenden Ansatz geliefert, wenn der Kollege oder die Kollegin etwas nicht wusste bzw. nicht weiterkam (Ja, das war bei uns allen gleichermaßen der Fall, wobei ich natürlich nur unsere 3er Gruppe beurteilen kann). Im Rahmen der Notenvergabe habe ich dann meinen Ohren nicht getraut. Für die Gespräche wurden völlig unterschiedliche Noten mit einer Bandbreite von 6 (!) bis 13 Punkten vergeben. Tatsächlich entsprachen diese (in Relation) ziemlich genau den Leistungen im Vortrag. Anhand der Leistungen im Gespräch (die übrigens je Kandidaten in allen Fächern gleich hoch oder niedrig gewesen sein sollen, also kein Kandidat hat in einem Fach besser abgeschnitten als in einem anderen) konnte ich die extremen Unterschiede in der Bewertung nicht nachvollziehen. (So wurden etwa in der ZR Prüfung die oben geschilderten maßgeblichen Ansätze und Anknüpfungen von den „schwachen“ Kandidaten aufgeworfen, durchgeprüft und argumentiert, also § 811 Nr. 13, die komplette Idee und Prüfung der Unzuständigkeit wegen § 94 BGB, die Idee zu § 95 BGB und Bedeutung des Merkmals vorübergehend etc.) Wer einen entsprechend ordentlichen Vortrag abgeliefert hat, wird sich über diese Art der Notengebung nicht beschweren. Was ich davon halte, und welchen Einfluss dies auf mein weiteres Leben nehmen wird, könnt ihr euch vorstellen. Ausgehend von den Äußerungen des Vorsitzenden in der Notenbesprechung und den Informationen in den Protokollen denke ich aber nicht, dass diese Benotung maßgeblich durch den Prüfer geprägt war, sie ging möglicherweise mehr von unserem Vorsitzenden aus. Passt jedenfalls (bei entsprechendem Vorsitzenden) auf, dass ihr in die richtige Schublade einsortiert werdet! Dann sollte einer guten Note nichts im Wege stehen.
Ich wünsche euch mehr Glück als ich es hatte!