Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Sachsen-Anhalt vom März 2024

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Endpunkte

8,36

Endnote

10,26

Endnote 1. Examen

9,12

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Versäumnisurteil Deliktsrecht Immobiliarsachenrecht

Paragraphen: §823 BGB, §928 BGB, §331 ZPO, §139 ZPO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, hart am Fall, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Entgegen den Erwartungen lag der Prüfungsschwerpunkt nicht auf dem materiellen Zivilrecht, sondern vielmehr beschäftigte sich zumindest etwa die Hälfte der Prüfung mit dem Zivilprozessrecht. Das könnte aber auch daran gelegen haben, dass keiner von uns im abgefragten Themengebiet besonders fit war. Der Prüfer begann mit der Schilderung eines kleinen Falles: Der A beschädigte unachtsam die Fahrzeuge des B. Dieser konnte dann nicht mehr den Lottoschein des C zur Lottoannahmestelle bringen, wie er es sonst immer tut. Diesmal hätte der C aber einen Lottogewinn von 1000 erzielt. Nun klagt vor dem Amtsgericht der C. Er beantragt den A zu verurteilen 1000 € an ihn zu zahlen. Wir kamen auf das Deliktsrecht. Als eine Haftung nach dem StVG vorgeschlagen wurde, konkretisierte der Prüfer den Fall dahingehend, dass der A das Auto im Vorbeigehen mit einer Leiter beschädigt habe, so dass Ansprüche aus dem StVG auszuschließen seien. § 823 BGB wurde kurz geprüft. Als ich das Verschulden vor der Verletzungshandlung prüfen wollte, hakte der Prüfer sofort ein und wies darauf hin, dass zuvor die Verletzungshandlung zu prüfen sei. Ihm kam es darauf an, dass die Verletzungshandlung nicht unmittelbar zu dem Gewinnausfall geführt habe und nur B einen Anspruch gegen A hat. Der Anspruch wurde damit verneint. Dann wurde der Fall weiterentwickelt: Der Beklagte erscheint nicht zur Verhandlung. Was ist möglich? ein Versäumnisurteil. Fraglich war, ob dem stattzugeben sei. Nein, denn nach § 331 ZPO werden nur Tatsachen als zugestanden angenommen. Hier ist der Anspruch des C aber nicht schlüssig dargelegt. Ist das dann ergehende abweisende Urteil ein Versäumnisurteil? Nein, zumindest keines nach den §§ 330 ff ZPO. Es handelt sich um ein sog. unechtes VU. Es folgte die Frage, wie der Kläger gegen das abweisende Urteil vorgehen könnte. Gerade nicht mit dem Einspruch, sondern mit gewöhnlichen Rechtsmitteln (Berufung; (Sprung-) Revision, bei der der Beklagte aber zustimmen muss, § 566 ZPO (worauf der Prüfer hinwies)). Dann kamen wir auf das schriftliche Vorverfahren und ein dabei ergehendes Versäumnisurteil. Dabei wurde kurz Bezug auf den SV des AV genommen. Ich glaube das schriftliche Vorverfahren wurde kurz abgefragt. Es wurde dann die Frage gestellt, was das Gericht tue, wenn keine Verteidigungsanzeige erfolgt ist. Es erlässt, bei Beantragung, ebenfalls VU. Aber was passiert in unserem Fall (unschlüssiger Klägervortrag)? Es wurde anhand § 313 III 3 ZPO die Frage herausgearbeitet, ob denn im schriftlichen Vorverfahren ein unechtes Versäumnisurteil ergehen könne. Wir argumentierten hier erst mit dem Wortlaut des paar grafen § 313 III 3 ZPO und dass das, wenn es bei Nebenforderungen möglich ist, auch bei Hauptforderungen gelten muss. Andererseits, warum hat der Gesetzgeber dann Nebenforderungen, die von geringer Bedeutung sind, extra geregelt. Umkehrschluss: kein VU bei Hauptforderungen? Uns erschien beides vertretbar. Der Prüfer verwies dann auf § 139 II ZPO (Hinweispflicht), von dem § 313 III 3 ZPO auch eine Ausnahme sein könnte, so dass sich seine Regelungswirkung darin erschöpft. Ich kam dann noch auf die Prozessökonomie, nach der ein Abweisen durch unechtes Versäumnis urteil möglich sein müsste, denn sonst müsste man eine Verhandlung anberaumt, in dem Wissen, dass der klägerische Anspruch sowieso nicht besteht. Der Prüfer verwies am Ende des Abschnitts auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die man wohl bestenfalls hätte kennen sollen. Danach ging es noch darum, dass der A Eigentümer eines Grundstücks mit einem verfallenen Gebäude sei und dieses los werden möchte. Er findet aber keine Kaufinteressenten. Nun sollten wir sagen, wie der A sein Grundstück loswerden könnte, v.a. um Kosten durch das Grundstück zu vermeiden. Ein Kollege schlug eine öffentliche Versteigerung vor. Das wurde von Herrn Brown aber als unpassend abgelehnt. Der Prüfer wollte sodann auf die Dereliktion an Grundstücken hinaus. Dazu fanden wir nicht gleich die richtige Norm. Der Prüfer fragte dann, wie denn Grundstücke normalerweise übertragen würden, wobei es ihm auf die §§ 925 FF BGB ankam. Dort ist dann in § 928 auch die Aufgabe des Eigentums an einem Grundstück geregelt. Danach fragte er noch, wie ein Grundstück übertragen werden könnte, an dem A und B jeweils hälftig Miteigentum haben und welche Regelung anzuwenden seien, wenn nur A sein Miteigentumsanteil übertragen möchte: Übertragung gem. § 1009 I BGB wie beim Alleineigentum, auch wenn dort nur von Belastungen die Rede ist. Insgesamt kam die Prüfung immer wieder ins Stocken. Allerdings hat der Prüfer notfalls auch Hinweise gegeben und zum Blättern und kurzen Nachdenken Zeit gegeben. Wenn es zu lange dauerte, gab er aber die Frage weiter.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Sachsen-Anhalt im März 2024. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

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