Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – NRW Oktober 2015

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Orginal-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW vom Oktober 2015. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5
Vorpunkte 51 45 35 30 30
Zivilrecht 11 10 10 9 7
Strafrecht 11 10 10 9 7
Öffentliches Recht 11 10 10 9 7
Endpunkte 93 92 70 63 62
Endnote 9 9 7 6 6

Zur Sache:

Prüfungsstoff:

Prüfungsthemen: Verwaltungsvollstreckungsrecht, Verhältnismäßigkeit

Paragraphen: §60 LVwVG, §100 GG, §43 LVwVfG, §58 LVwZG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner

 

Prüfungsgespräch:

A sitzt mit Frau zuhause rum, plötzlich schellt es, städtischer Vollstreckungsbeamter steht vor der Tür. Will vollstrecken aus einer Zwangsgeldanordnung, die A über 2500 € erhalten hat. Da es bei A nix zu holen gibt, haut er wieder ab, und lässt A einen Wisch da, dass es bei A nix zu holen gab. A kommt zu ihnen als Anwalt. Was machen sie?

Erstmal: Vollmacht. Da aber keinerlei Info besteht, worauf das Zwangsgeld verhängt wurde, ist erstmal ein Auskunftsanspruch gegen die Behörde geltend zu machen. § 29 VwVfG wurde hier nicht genannt, dürfte aber die Stütze für das Begehr sein.

Die Auskunft bringt folgenden Sachverhalt ans Licht: A betrieb einen ungenehmigten Gebrauchtwagenhandel. Er erhielt daraufhin eine – mittlerweile bestandskräftige – Untersagungsverfügung und eine Frist, den Laden dicht zu machen, wobei die sofortige Vollziehung angeordnet wurde und das Zwangsgeld angedroht wurde. A verdaddelte dann die Frist, weil ihn das nicht gejuckt hat. Irgendwann hatte er aber – unabhängig von der Untersagungsverfügung – keine Lust mehr auf seinen Gebrauchtwagenhandel und wollte lieber dem Glücksspiel fröhnen. Daher machte er seinen Gebrauchtwagenhandel dicht und sagte: „Nie nie nie wieder will ich mit Gebrauchtwagen handeln“. Das war bereits nach Festsetzung des Zwangsgelds.

Wie kriegen wir die Kuh vom Eis? Anfechtungsklage? Nein, Festsetzung ist zwar VA, aber die Festsetzung war – wie wir jetzt erfuhren – auch bestandskräftig. Also? FFK – nein, kein RSI. Aber: FK, § 43 I VwGO sollte gehen. Also – Feststellung, das Beitreibung Zwangsgeld rechtswidrig ist – alles andere kann ja auch nicht mehr angegriffen werden. Rechtliche Anknüpfungspunkt: § 60 III VwVG NRW:

(3) Zahlt der Betroffene das Zwangsgeld nicht fristgerecht, so wird es im

Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben. Die Beitreibung unterbleibt, sobald der Betroffene die gebotene Handlung ausführt oder die zu duldende Maßnahme gestattet; ein Zwangsgeld ist jedoch beizutreiben, wenn der Duldungs- oder Unterlassungspflicht zuwidergehandelt worden ist, deren Erfüllung durch die Androhung des Zwangsgeldes erreicht werden sollte; § 26 findet entsprechend Anwendung.

Passt genau. Beitreibung kann dann ja unterbleiben, soll man meinen (wieso dann eigtl. keine Leistungsunterlassungsklage? Naja…). ABER: Beitreiben soll doch stattfinden, wenn „Duldungs- und Unterlassungspflicht“ zuwidergehandelt wurde. Also doch beitreiben? Feingeister und wohl auch der berühmte „besonders aufmerksame Kandidat“ sollte erkennen, dass keine „Handlungspflichten“ genannt wurden. Also eine Ungleichbehandlung? Art. 3 GG verletzt? Was macht das Gericht, wenn es das denkt? Art. 100 I GG, konkrete Normenkontrolle. Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt?

Möglicherweise, da Verstoß gegen Unterlassungspflicht mehr Überwindung (man könnte „parakriminelle Energie sagen“) koste als Verstoß gegen Handlungspflicht. Was machen wir nun? Verfassungskonform auslegen. Und das führt zu? § 60 VwZG ist verfassungsmäßig, hat ja insbesondere eine Härtefallregelung, § 60 III VwZG a.E., Verweis auf § 26 VwZG. Also nicht verfassungswidrig, zur Not wird einfach auf § 58 VwZG zurückgegriffen, Verhältnismäßigkeit. Woher kommt die? Art. 20 III GG.

Zwischendurch, kann es zeitlich nicht mehr genau einordnen, wollte er noch wissen, was man den Mandat noch raten kann: PKH, § 167 VwGO iVm § 114 ZPO. Was gibt es für einstweiligen Rechtsschutz? §§ 80, 123 VwGO. Und was noch? (?!?). § 47 VI VwGO!

Und das war es dann auch schon. Echt ekeliger Fall. Hat der Prüfer aus seiner Kammer mitgebracht. Ein Grund mehr, nicht Verwaltungsrichter zu werden.

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